Das Kochbuch
Monothematische Kochbücher schätzen wir besonders. Sie bieten die Gelegenheit, besonders tief in ein Thema einzusteigen. Sofern sie gut gemacht sind. Das ist hier der Fall. Denn „Knödelreich“ könnte glatt als Prototyp eines tiefschürfenden monothematischen Kochbuchs durchgehen. In ihm stecken akribische inhaltliche Arbeit und großer kulinarischer Sachverstand. Fast wie eine Diplom-Arbeit über historische und zeitgemäße Knödelrezepte. Aber eine spannend zu lesende und kulinarisch besonders vielseitige.
Das Thema und die Mission
Magdalena Wieser, die die Bibliothek des Oberösterreichischen Landesmuseums in Linz leitet, hat das Konzept für das Buch entwickelt. Seine Basis sind historische Kochbücher aus der Museums-Bibliothek. Ihr Bericht zu Beginn des Buches ist ein eindrucksvolles Zeugenis von den Schwierigkeiten, aus alten Kochbüchern nachkochbare Rezepte zu identifizieren und zu entziffern. So seien viele in Kurrentschrift verfasst, oft ohne regelhafte Rechtschreibung, mit heutzutage nicht mehr gebräuchlichen Begriffen und oft nur mit vagen oder gar keinen Maßeinheiten. Es zeugt vom inhaltlichen Anspruch des Buches, dass es Quellenangaben enthält (285!), die Kochbücher auflistet, deren Rezepte als Basis dienten und ein umfangreiches Literaturverzeichnis enthält.
Katharina Seiser wurde bei diesem Projekt die Aufgabe zuteil, die Brücke von der (ergrauten) Theorie zur aktuellen Praxis zu schlagen. Sie hat eine sehr hilfreiche Warenkunde und nützliche Tipps und Tricks für den perfekten Knödel aufgeschrieben. Zusammen mit Magdalena Wieser hat sie die Rezepte für das neu entstandene Knödelkochbuch kuratiert, um einige Klassiker ergänzt und an Spitzenköchin Elisabeth Grabmer weitergeleitet. Sie hatte schließlich die ebenso ehrenvolle Aufgabe, die Rezepte in die heutige Zeit zu übersetzen und ggf. zu vollständigen Gerichten zu erweitern.
Das die Entstehung des Buches in ihm selbst so deutlich dokumentiert wird, macht seinen Charme. Man durchlebt den Weg von der Bibliothek bis zum fertigen Kochbuch förmlich mit den drei Autorinnen zusammen.
Die Rezepte
Das Kochbuch enthält insgesamt 39 Knödel-Variationen. Sie stammen aus 27 historischen Büchern aus der Zeit von 1600 bis 1950. Dazu kommen ein „Bruckner“-Knödel und vier oberösterreichische Familienrezepte von heutigen Köchinnen und Köchen.
Der Aufbau der Rezeptseiten ist vorbildhaft: Nach dem Rezeptnamen folgt die Originalquelle mit Jahresangabe, eine kurze Anmerkung zu Eigenheiten des Rezeptes, der Rezept-Text, und jeweils auf einer eigenen Seite das Bild der Originalquelle und natürlich des neuen Gerichtes.
Die Vielfalt der Knödel ist groß: von salzig bis süß, mal vegetarisch, mal mit Fleisch, mal auf Brot-Basis, mal mit Topfen, mal aus Kartoffelteig oder noch anders.
Einige Beispiele: Hendlknödel in Hendlsuppe, Leberknödelsuppe, gebackene Semmelknödel, Speckknödel mit Rahmschwammerln, Purkandische Knödel mit Ochsenschleppragout, Böhmische Knödel mit Rehragout, Butterknödel mit Lachsforelle und Kürbisstampf, Erdäpfelknödel mit Kalbsrahmgulasch, Zwetschkenknödel mit karamellisierten Butterbröseln, Briocheknödel mit Apfelmus,
Der Schwierigkeitsgrad und die Zielgruppe
Einige der Rezepte sind unkompliziert. Die Mehrheit erfordert jedoch einen gewissen Zeitaufwand und Geschick.
Für „jeden Tag“ oder „nebenbei“ sind die Gerichte also, je nach Können, nicht unbedingt. Dafür ist das Buch jedoch ein großer Schatz für all jene, die ein tiefergehendes Interesse an Esskultur und Historie mitbringen.
Die Zutaten
Die Zutatenlisten sind nicht selten etwas länger und einige Zutaten recht typisch österreichisch. Knödelbrot etwa gibt es nördlich des Knödel-Aquators oftmals nicht standardmäßig zu kaufen. Das ebenfalls häufig verwendete Toastbrot hingegen schon.
Die Autorinnen
Elisabeth Grabmer ist die vielfach ausgezeichnete Küchenchefin der Waldschänke Grieskirchen.
Katharina Seiser ist Autorin mehrerer Kochbuch-Bestseller wie „Österreich expres“s und „Immer schon vegan“ und Kolumnistin („Falter“) und Kulinarik-Expertin im ORF.
Magdalena Wieser ist studierte Archäologin und Bibliothekarin und in der OÖ Landes-Kultur GmbH (vormals OÖ Landesmuseum) tätig.
Die Optik
Der Detailreichtum des Buches sorgt für eine gewisse Kleinteiligkeit, die Grafikerin Miriam Strobach in klare Bahnen gelenkt hat. Hinzu kommen ein sehr schönes Styling und die ästhetische Foodfotografie von Gunda Dittrich und Ulrike Köb.
Das Fazit
Kochbücher wie dieses liefern nicht nur tolle Rezepte. Sie tragen aktiv zum Erhalt und der Weiterentwicklung der Esskultur bei. Das ist eines der größten Komplimente, die wir einem Kochbuch machen können.