Hell, aufgeräumt und gemütlich trotz wenig bis keiner weiteren Dekoration: Robert Stolz´ Esstisch aus heller Eiche. Er steht im alten Pastorat direkt neben der Nikolaikirche am Plöner Marktplatz. Von 2003 bis 2015 betrieb er in den selben Räumen bereits sein Restaurant, das damals mit einem Stern im Michelin-Guide ausgezeichnet war.
Keine Wand, kein Versteck: Robert Stolz kocht in seiner offenen Küche direkt vor seinen Gästen. Das Korsett im Vier Jahreszeiten Hotel war ihm nach eigener Aussage zu eng geworden, nun kann der 56-jährige wieder so kochen und arbeiten, wie er es möchte.
Vor den sechs Gängen gibt es sechs Kleinigkeiten: einen langen, knusprigen Kartoffelchip mit Wacholdersalz und frischem Zitronensauerrahm. Danach eine lila Karotte, die Stolz zunächst im Ofen gegart hat, dann noch im eigenen Saft gekocht und schließlich dehydriert hat. Dazu gibt es eine dicke Sahne mit Apfelbalsam-Essig (eine schöne Verbindung aus cremig, fruchtig und säuerlich) und ein Lakritzpulver aus reinem Süßholz. Es verbindet sich ganz hervorragend mit dem kräftig-süßlichen, intensiven Geschmack der Karotte.
Ein kleiner Geniestreich sind die knackig-knusprigen Rapsblätter, die alleine schon ein sensorisches Highlight sind und geschmacklich an eine Mischung aus Kohl und Senf erinnern. Die geniale Begleitung dazu ist eine körnige Creme aus Rapskernschrot. Erneut verbindet Stolz also eine Art Knusprigkeit mit einer cremigen Konsistenz. Das geht wunderbar auf und schafft eine spannende Verbindung.
Auf dem kleinen Brett geht es weiter mit einer Käsebrot-Variante als Brotchip, Frischkäsecreme und Spänen vom kräftigen Bergkäse. Daneben findet sich ein Würfel Zungenwurst mit etwas Senf, der dem Fett der Wurst besser noch mehr Schärfe hätte entgegensetzen können. Den Schluss des Auftaktreigens bilden ein fruchtig-herbes Gelee aus Karotten und Sanddorn und ein Sanddorn-Chutney. Eine bewährte, frisch-säuerliche Kombination.
Das Menü selbst beginnt Miesmuscheln aus der Kieler-Förde, kräftigem Meerrettich-Eis und (nicht nur farblich) intensiver Petersiliencreme. Daneben findet sich eine Rolle (man könnte sie auch Cannelono nennen) aus Milch, gefüllt mit einer sahnigen Mousse mit Muschelstücken. Insgesamt ein Gang mit eher wenig Kontrasten und recht kühlen Temperaturen.
In dem schlichten doppelwandigen Glas serviert Robert Stolz als nächstes eine intensive Suppe aus Röstzwiebeln, die er zuvor lange bei hoher Temperatur in Butter gebräunt und anschließend in Gemüsefond ihr Aroma hat abgeben lassen. Etwas Xanthan verleiht ihr eine viskosere Bindung. Ein Schicht Tannenöl tröpfelt Stolz kurz vorm Servieren oben drauf, sein Aroma spürt man im Mund als erstes, bevor es sich wunderbar mit der Suppe verbindet.
Das Brot gibt es hier nicht vorweg sondern mittendrin. Es ist ein kräftig-lockeres Sauerteigbrot vom von vielen verehrten Bäcker Arnd Erbel. Dazu gibt es eine kräftiggrüne Sauerampfer-Butter und zum Auftunken eine Rosmarin-Sauce. Sie ist eine Wucht. Robert Stolz hat dafür Hühnchenunterkeulen im Ofen mit Sahne, Rosmarin und Knoblauch geschmort und den daraus entstandenen Bratenfond schließlich zur Sauce aufgemixt. Purer Wohlgeschmack mit sehr präsentem Rosmarin-Duft. Das Prinzip Brot und Sauce erinnert dabei an Jens Rittmeyer, bei dem es ebenfalls schon lange einen eigenen Gang aus Brot mit verschiedenen Saucen gibt.
Der nächste Gang ist echte kulinarische Heimat: Birnen-Speck-Auflauf. Feine Scheiben Speck schmiegen sich an einen Rührteig (ohne Salz), in den Birnenstücke eingearbeitet sind. Die Verbindung von warmem, saftigem Kuchen, süßer Birne und herzhaftem Speck ist mit der süß-herzhaften Note typisch norddeutsch, beim Essen fängt man unweigerlich an zu lächeln, weil das so vergnüglich ist. Lediglich ein etwas krosserer Speck könnte den Spaß noch vergrößern. Dazu gibt es eine gelbe Beete, die Stolz das Aroma von Mangobier (!) und Rieslingessig hat annehmen lassen und eine ebenso intensive rote Beete. Die Sauce basiert ebenfalls auf Speck, etwas Zwiebeln und Geflügelfond, aufgemixt ist sie mit Butter. „Das Rezept für den Auflauf kommt im Grunde von meiner Oma: Birnen in Teig. Und ich habe mir gedacht, warum soll man so etwas nicht auch in diesem Rahmen servieren?“ Genau, warum nicht!
Eine weitere Steigerung erleben wir jedoch beim nächsten Gang: Bamberger Hörnchen (eine alte Kartoffelsorte) hat Robert Stolz nur grob angequetscht und lässt auf ihnen eine Gremolata-Butter mit den typischen Aromen von Petersilie, Zitrone und etwas Knoblauch schmelzen. Daneben liegt ein pochiertes Eis, das von einem luftigen aber geschmackvollen Kartoffelschaum ummantelt wird. Diesen weichen und cremigen Teilen des Gerichts setzt Stolz knusprige Brotkrumen und die zwiebelige Note von Frühlingslauch entgegen. Der Protagonist des Gangs ist jedoch ein Freilandhuhn, dessen geschmorte Oberkeule mit einer Prise Tandoori-Gewürz geschmacklich unterstrichen wird, das Stück von der Brust ist knusprig und saftig gleichermaßen. Dieses Gericht könnte man jeden Tag essen. Unkompliziert, abwechslungsreich und verdammt lecker.
Ähnlich wohltuend lecker endet der Abend mit einem geschmorten Seestermüher Zitronenapfel, einer alten und vom Aussterben bedrohten Apfelsorte aus Schleswig-Holstein mit säuerlichem Aroma und fester Konsistenz. Den gebackenen Apfelring füllt Stolz mit einer Zimtcreme und gratiniert ihn mit Haselnuss-Streuseln, denen Muscovado-Zucker die Illusion von Karamell und Salz gibt. Köstlich. Ein schönes Quittenkompott mit Biss, Eis aus Roggenbrot, mit eicht herbem Geschmack, das zusätzlich in geröstetem Buchweizen gerollt wurde, und Birnen-Kugeln mit etwas Minze vervollständigen ein wunderbar herbstliches Dessert.
Ein großes Highlight des gesamten Konzeptes ist der direkte Kontakt mit Robert Stolz, den man nicht nur zu jedem einzelnen Gang ausführlich befragen sondern ihn sogar direkt in der Küche bei der Zubereitung und Vollendung begleiten kann. Wo ist das schon möglich? Eine herrliche Atmosphäre für ein entspanntes, köstliches Essen mit eigener, norddeutscher Handschrift. Eine sehr gelungene Heimkehr. Und den englischen Untertitel „eat.share.live“ hätte es dafür eigentlich gar nicht gebraucht. Ist „Stolz“ nicht schon Ausdruck genug einer hervorragenden Küche!?
Das Menü kostet 80 Euro inkl. Wasser, die begleitenden Weine 9 Euro pro Glas. Zur Buchung (bezahlt wird das Menü vorab) und zur Website von Robert Stolz geht es hier.