Das Kochbuch
Alle zwei Jahre bringt Tim Mälzer ein neues Kochbuch heraus. Dieses Mal ist es der zweite Teil bzw. der Nachfolger des ersten „Heimat“-Kochbuches von 2014. Was man Mälzer zu Gute halten muss: er könnte ein plattereres, gefälligeres Kochbuch machen. Eines, das lieblicher anzuschauen ist und populärere Rezepte enthält. Stattdessen bleibt er seiner Linie eines zum Teil recht rau wirkenden Buches treu. Eigentlich ein Widerspruch, will es doch „Wohlfühlrezepte“ präsentieren.
Das Thema
Ist es Zufall oder eine geschickte Politisierung eines Kochbuchs? Der Heimat-Begriff, dazu noch der „neue“, ist zur Zeit Gegenstand großer politischer Richtungsdebatten. Was ist Heimat, wer gehört dazu und wer nicht?
Mälzer bezieht klar Stellung: Sein Kochbuch sei ein modernes Buch für ein modernes Deutschland mit einem zeitgenössischem Heimatbegriff. Deutschland sei ein Land „mit offenen Köpfen und offenen Töpfen“. Soll heißen: Deutschland schmeckt anders als vor 50 Jahren. Auch mal italienisch, spanisch oder türkisch. Statt Currywurst und Gulasch gibt es nun auch Falafel und Hummus.
Und was ist nun „Heimatküche“? „Eine Küche, die einen warm werden lässt ums Herz. Wohlfühlküche“, schreibt Mälzer.
Die Rezepte im Überblick
Die Rezepte sind schwer auf einen Nenner zu bringen. Mal sind sie zugänglich und unkompliziert, mal schroff. Merkwürdig: obwohl es ja um die neue, internationalere Heimat gehen soll, überwiegt der „deutschere“ Teil der Rezepte.
Mälzer bleibt sich mit dem Stil der Rezepte treu, denn viele hätten so oder etwas anders auch in seinen vorherigen Büchern stehen können. So auch das Steckrübenpürree, das man marginal anders bereits im vorherigen Buch lesen konnte.
Was auch verwundert, ist die teilweise schwer zu durchschauende Struktur. Da liest man etwa ein Kapitel über die Küche der Levante und dann folgen auf den nächsten Seiten italienische Gerichte wie Steinpilzfrittata und Kürbisrisotto. Das passt nicht.
Die Kapitel und Beispielrezepte
- „Salat“: u.a. mit Kopfsalat, Endiviensalat mit Himbeerdressing und Kartoffelsalat mit Trauben.
- „Hack“: ist ein eher deutsches Kapitel, u.a. mit Kartoffel-Hack-Torte, einer Handrolle von Spitzkohl und Kalb, gefüllter Paprika und Hackbraten. Erst weiter hinten kommt das Cevapcici mit Hummus und bringt etwas Abwechslung ins Spiel.
- „Suppe“ beinhaltet u.a. ein Hühnerfrikassee, das zusätzlich (!) mit Sauce Bearnaise gratiniert wird. Außerdem Pilzkraftbrühe mit Knödeln und Tomatenpaprikasuppe.
- „Wurst“: u.a. mit Bratwurst Asia, Bratwurst mit Steckrübenpürree.
- „Vegetarisch“: u.a. mit Pochierten Eiern mit Spinat und Kartoffelpürree und Reste-Shakshuka.
- „Fisch“: Ofenforelle mit Cima di Rapa (einer Art wildem Brokkoli), Räuchermakrele im Tomatenfond und Backfisch mit Pommes.
- „Fleisch“: u.a. mit Lammschulter und Auberginenmus, Schnitzel mit Gurkensalat und gefüllten Kalbskoteletts.
- „Geflügel“: Chicken Nuggets und Hähnchenkeulen mit Zimt-Rub.
- „Pasta“: Pasta mit Radicchio und Cranberrys, eine wenig „saucige“ Linsenpasta mit Morcheln, Pasta mit Miesmuscheln, Joghurt-Nudelsalat mit Orecchiette und griechischem Joghurt und Garnelenpasta.
- „Grillen“: u.a. mit Spareribs, Nackensteaks mit Bier Honig Marinade.
- „Süss“: u.a. mit Topfenknödel, Canelé, Baklava, Zimtschnecken, Fruchteis, das nur aus gefroreren, pürierten Früchten besteht.
Das beste Rezept
Das Kalbskotelett füllt mit Mälzer mit einer Masse aus Brät und krossen Brotwürfeln, abgeschmeckt mit Kräutern und Zitrone. Dazu kommen Kapern und ein Kopfsalat mit einfachem Sahnedressing.
Der Autor
Tim Mälzer wurde als deutscher Jamie Oliver mit seiner Kochsendung „Schmeckt nicht, gibt´s nicht“ auf VOX bekannt. Mittlerweile ist er Protagonist der herausragenden „Kitchen Impossible“-Reihe. Im Hamburger Schanzenviertel betreibt er das Restaurant „Bullerei.“
Der Schwierigkeitsgrad
Nur wenige Rezepte fordern einem viel ab. Die meisten sind einfach.
Das Neue
...ist die Verbindung von traditioneller und neuer Heimatküche. Wobei diese Vermählung noch viel intensiver hätte sein dürfen.
Die Optik
Wahrlich kein Mainstream. Einige Bilder sind so unprätentiös, dass man sich fragt, ob überhaupt ein klassisches Styling stattgefunden hat. Etwa bei der extrem schmucklosen und blassen orientalischen Lasagne. So weit so gut. Aber zum Teil sind die Bilder einfach so dunkel und nah fotografiert, dass man auf dem matten Papier nur wenig vom Gericht erkennen kann.
Dazu kommen Kapitelbilder wie das zum vegetarischen Teil des Buches, das einen ziemlich unscheinbaren Gemüseladen am Hamburger Steindamm zeigt. Das ist so einfach gehalten, dass es zwar authentisch wirkt. Aber macht das auch Lust aufs´ Nachkochen?
Wenn Mälzer diese Zeilen lesen würde, würde er sich vermutlich denken: „Ah! Hat also genau so funktioniert, wie ich es mir gedacht habe. Nicht so glatt und naheliegend, wie sonst.“
Bei den Zutatenlisten der Gerichte ist es bedauerlich, dass oft alle Zutaten des gesamten Gerichtes untereinander stehen. Dadurch fällt der Überblick schwer, was nun zu welchem Bestandteil des Gerichtes gehört.
Die Zutaten
...bekommt man im Supermarkt und beim Metzger.
Das Fazit
Es spricht für Mälzer, dass er nicht auf den schnellen, billigen Applaus setzt sondern seiner persönlichen Linie auch dieses Mal treu bleibt. Dennoch hätten wir uns die Rezepte süffiger, „wohlfühliger“ und origineller gewünscht. Und eine Optik, die richtig Lust auf´s Nachkochen macht.