Kulinarisches
von Benjamin Cordes (08. Oktober 2016)

„Soja-Burger? Niemals.“

Oliver Trific hat 22 Jahre seines Lebens in den USA verbracht, elf als Kind, elf als Koch. Beste Voraussetzungen also, ein amerikanisches Kochbuch zu schreiben. Allerdings ein vegetarisches! Welche Rolle Sklaven und Ur-Einwohner bei den Rezepten gespielt haben und wie Trific das Land durch die Arbeit am Buch von einer neuen Seite kennenlernte, hat Trific uns im Interview erzählt.
Oliver Trific, Koch und Autor
Oliver Trific, Koch und Autor

Bild
Oliver Trific, Koch und Autor (© Trific Holzbrücke 7)

Die US-Küche gilt als fleischlastig. Gab es überhaupt genug vegetarische Rezepte für dieses Kochbuch?

Gab es! Aber es stimmt schon: Manche unkten, ich müsste dann Soja-Burger und ähnliches aufschreiben. Das ist natürlich Quatsch! Von 150 Rezepten im Buch sind gerade mal 10 abgewandelte Fleischrezepte, alle anderen sind originär vegetarisch.
Natürlich gab es vermutlich früher in Amerika auch schon die Jagd, aber viele überlieferte Rezepte haben ihren Ursprung vor Jahrhunderten und da gab es entweder kein oder nur wenig Fleisch. Genauso wie es auch bei uns früher nur sonntags einen Braten gab, soll sogar Thanks Giving in seiner Ur-Form ohne Truthahn gefeiert worden sein. Kann man sich heute kaum noch vorstellen...

Was macht eine gute vegetarische Küche denn aus?

Sie darf nicht etwas vorgeben zu sein, was sie nicht ist. Tofuwürstchen zum Beispiel sind für mich keine vegetarische Küche sondern in erster Linie Lebensmitteltechnologie. Und warum muss man Blumenkohl so lange bearbeiten, bis er eine Frikadelle ist!? Eine gute vegetarische Küche ist also in erster Linie eigenständig.

Bild
Trifics neues Buch

Die USA sind ein riesiges Land. Kann man überhaupt von der typischen US-Küche sprechen?

Nein, die amerikanische Küche ist tatsächlich so vielseitig wie das Land. Und vor allem durch Einwanderer geprägt: sie ist wie ein zusammengewürfelter Haufen verschiedener Einflüsse. Es gibt viele europäisch geprägte Küchenstile, zum Beispiel italienisch, irisch und deutsch. Aber genauso natürlich auch asiatische und nicht zuletzt mexikanische. Über die Jahrzehnte wurden diese Küchen wie in einem bunten Teppich miteinander verwoben und ergeben nun zusammen die amerikanische Küche.

Welcher dieser Einflüsse spiegelt sich denn im Buch am stärksten wieder?

Die sind eigentlich ziemlich gleichmäßig verteilt. Es gibt die „Boston Baked Beans“ genauso wie griechisches Osterbrot, weil die Mehrheit der Diners von griechischen Familien geführt werden, jüdische Kartoffelpuffer oder auch Pasta Primavera mit Artischocken.

Bild
Trifics Lieblingsgericht: Mac and Cheese (© Ulrike Holsten / Brandstätter Verlag)

... wobei Pasta Primavera jetzt tatsächlich nicht gerade amerikanisch klingt.

Das versuche ich ja immer gerne zu erklären: man kann die amerikanische Küche einfach nicht klar abgrenzen. Neulich hat jemand das ganze Buchprojekt etwas belächelt und meinte, mehr als Steak, Hamburger und Hot Dogs würde es da ja nicht geben. Deshalb könne ich ja im Prinzip nur auf solche „fremden“ Rezepte zurückgreifen und das wäre ja dann keine „ehrliche“ amerikanische Küche.
Aber was wäre denn eigentlich, wenn ich in der italienischen Küche ohne Kartoffeln, Tomaten und Polenta kochen würde? Die sind ja schließlich auch alle irgendwann aus (Süd-)Amerika rübergekommen.

Wie muss man sich denn die Arbeit an so einem Buch vorstellen? Woher kamen die Ideen und Inhalte?

Ich habe mich aus verschiedenen Quellen „ernährt“: Einige Gerichte stammen aus meiner (Kindheits-)Erinnerung, zum Beispiel „Mac and Cheese“. Dann habe ich mir die „Encyclopedia of American Food and Drink“ von John Mariani vorgenommen. Das ist ein tolles Standardwerk über die amerikanische Küche. Aber ich hab mir zum Beispiel auch die Websites von Indianerstämmen angesehen. Über die Weitergabe ihrer Rezepte wollen sie einen Teil ihrer Kultur aufrecht erhalten. Leider konnte ich davon aber nicht alles übernehmen, was ich spannend fand: Ein Brot, für das man erst einen Erdofen bauen muss, um es dann in der Asche zu backen, ist eben nicht besonders alltagstauglich...

Welches Rezept ist denn zum Beispiel aus der indianischen Küche?

Der Drei-Schwestern-Auflauf („Three Sisters Cobbler“). Die Schwestern, um die es dabei geht, sind Mais, Kürbisgewächse und Bohnen. Die haben die native Americans immer zusammen auf einem Feld angebaut, weil sie sich beim Wachsen gegenseitig begünstigt haben. Und so ist das auch in diesem Rezept! Auf diese Weise bekommt also auch einen chronistischen Blick auf die Welt der Indianer. Das hat schon sehr viel Spaß gemacht.

Klingt, also ob Sie durch das Buch die US-Küche nochmal neu kennengelernt hätten...

Das kann man so sagen! Ich habe in den USA im Four Seasons und im Park Hyatt in Chicago gekocht und das ist einfach ein eigener Kosmos, in dem man von einer authentischen amerikanischen Küche nicht besonders viel mitbekommt. Und zum Beispiel auch nie „Calas“ kochen würde.

... und das sind?

Süße Reisbällchen. Die Geschichte dahinter: Bevor Thomas Jefferson Napoleon die französische Kolonie Louisiana abgekaufte, herschte dort französisches Recht. Auch bei den Sklaven. Und das besagte, dass Sklaven erstens einen Tag pro Woche frei haben mussten und zweitens sie sich freikaufen konnten, wenn sie den Preis bezahlen konnten, den ihre Besitzer für sie verlangten. Also haben sie in New Orleans am Sonntag den übrig gebliebenen Reis von der Woche gesammelt, mit Eiern und Zucker daraus eine Masse gemach, zu Bällchen geformt, in Öl ausgebacken und verkauft. Mit den Einnahmen daraus konnten sie sich dann freikaufen. Als die USA den Franzosen Louisiana abkauften, war dieses Geschäftsmodell allerdings vorbei. Und so ist auch das Rezept in Vergessenheit geraten. Das sind alles Dinge, die ich vorher nicht wusste, und es ist einfach spannend, wie Küche mit Geschichte zusammenhängt!

Bild
Trific in seiner Küche (© Trific Holzbrücke 7)

Was ist denn Ihr Lieblingsrezept aus dem Buch?

„Mac and Cheese“. Das ist die Kindheitserinnerung. In amerikanischen Schulkantinen wurde dafür früher nur Pulver mit Milch angerührt, das ergab dann eine qietschgelbe, fast neonfarbene Käsesauce. Ich kann versprechen: meine Variante funktioniert ohne Pulver, dafür mit würzigem Cheddar.

Bild
geschrieben von:
Benjamin Cordes
Benjamin Cordes ist Autor und Experte für Kulinarik. Seine Filme sind im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sehen, seine Texte u.a. im Magazin Falstaff zu lesen. Er ist Gründer von Kaisergranat.com und Initiator des Deutschen Kochbuchpreises.
Anzeige

Kulinarisches

Cremiger Ricotta, knuspriges Brot und ein Süßwein mit Aprikosenduft

Cremiger Ricotta, knuspriges Brot und ein Süßwein mit Aprikosenduft

Im zweiten Teil meiner kulinarischen Sardinienreise bin ich dabei, wie sardische Küchen- und Esskultur aufrecht erhalten wird. Ich mache Pecorino und Ricotta selbst und besuche zwei spannende Weingüter.weiterlesen
Restauranttest im „Jacobs“

Restauranttest im „Jacobs“

Für die aktuelle Ausgabe des Gastroführers „Szene Hamburg Essen&Trinken“ haben wir das „Jacobs Restaurant“ im renommierten Hotel Louis C. Jacob an der Hamburg Elbchaussee besucht. Unsere Restaurantkritik gibt´s im Guide, hier sind die Bilder dazu.weiterlesen
„Weißer Zucker ist die schlimmste Droge“

„Weißer Zucker ist die schlimmste Droge“

Tim Raue nimmt kein Blatt vor den Mund: Allergien seiner Gäste gehen ihm „auf den Sack“, weißen Zucker verteufelt er. Der sei schlimmer als jede Droge, die er früher genommen habe. Erzählt hat er uns das alles im Interview anlässlich seines neuen Kochbuchs „My Way“.weiterlesen
„Ich kann keine Desserts...“

„Ich kann keine Desserts...“

Tim Mälzer will mit seinem Kochbuch "Die Küche" auch die an den Herd holen, die sich sonst nicht daran wagen würden. Mit einfachen Rezepten wie Gurkensalat und einem "Emotionskochbuch", das seine Leser faszinieren soll. Nur mit den Desserts wird´s einfach nix. Den Grund hat er uns im Interview…weiterlesen

Kochbücher

New York Christmas Baking

New York Christmas Baking

19,95 €
Es gibt Orte auf der Welt, da ist Weihnachten noch mal etwas besonderer als ohnehin schon. New York zählt zu diesen Orten. Die Weltmetropole wird zur Weihnachtszeit auf ihre ganz eigene Art besinnlich und dieses Buch zeigt traumhaft weihnachtliche Rezepte. Wer bekommt bei Pumpkin Spice Whoopie…weiterlesen
Durchgeblättert 12: Backen, Japan, Kreuzfahrt und Cocktails

Durchgeblättert 12: Backen, Japan, Kreuzfahrt und Cocktails

Wunderschöne Tartes und Torten, einfache japanische Küche, die Rezepte einer Luxus-Kreuzfahrt und ein Cocktailbuch: ein bunter Strauß an neuen Kochbüchern.weiterlesen
Die Trüffel

Die Trüffel

7,8 / 10
Kochbuch von
35,00 €
Der Journalist und Autor Christian Volbracht gilt als einer der profiliertesten Trüffel-Experten. All sein Wissen hat er in diesem lesenswerten Nachschlagewerk zusammengeführt. Es ist informativ und unterhaltsam geschrieben und beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den unscheinbaren aber…weiterlesen
Die große Backschule

Die große Backschule

7,7 / 10
Kochbuch von
29,95 €
Dieses Standardwerk ist mit seinen über 250 Rezepten auf mehr als 500 Seiten so umfangreich, dass es einen fast erschlägt. Doch wenn man sich durchblättert, bemerkt man, welchen großen Wert es wirklich hat. Denn die Bandbreite der mit wenigen Ausnahmen guten bis sehr guten Rezepte ist…weiterlesen