„Meine Mutter hat mir immer eingeschärft: Niemals ohne Stock auf die Kuhweide!“, sagt Gesche Wendell-Fürsen. Aber sie hat keinen Stock dabei. Denn sie kennt ihre sanftmütigen Wagyu-Tiere genau, kann deren Stimmung einschätzen und weiß, wie sie mit ihnen umgehen muss. Hier am Holstenberg in Beringstedt geht der Geestrücken in ein flaches Moor über und auf der sanft abfallenden Wiese laufen ihre Wagyū-Rinder. Und sie sind deutlich scheuer als die normalen Kühe. Der Futtereimer, mit dem Gesche die Tiere eigentlich anlocken will, ist schon fast leer, bevor sich auch mal eines der reinrassigen Wagyū-Rinder näher traut. Leer gefressen von den anderen Kühen, die schneller waren.
Die Faszination
Eigentlich betreibt Gesche im mittelholsteinischen Beringstedt einen Ponyhof. Aber warum züchtet sie jetzt auch Wagyū-Rinder? „Mein Mann war vor ein paar Jahren beruflich in Chicago und hat dort in einem Grillrestaurant dieses teure Fleisch bestellt. Er hatte davon noch nie gehört, wunderte sich, warum es so teuer ist und fragte sich, was das Besondere daran sein sollte.“ Als er es probierte, wusste er es: Der Geschmack! Buttrig, nussig, mit zart schmelzendem Fett. „Das hat ihn so fasziniert, dass er mir davon sofort erzählte. Und dann haben wir uns entschieden, Wagyūs zu züchten.“
Der Anfang: Embryonen bestellen
Gesche bestellte sich 6 Wagyū-Embryonen in den USA. Sie ließ sie von einem spezialisierten Tierarzt in ihre Holsteiner Milchkühe einpflanzen. Ein hohes finanzielles Risiko, denn im Schnitt überleben nur 40 bis 50% der Embryonen. Doch sie hatte Glück. Aus sechs Embryonen wurden vier junge Wagyū-Rinder. Der Anfang ihrer Herde. Heute halten sie 20 reinrassige Wagyūs, die sie erfolgreich selber nachzüchten.
Tajima-, Wagyū- oder Kobe-Rind?
Wagyū heißt übersetzt schlicht „Japanisches Rind“. Der exakte Name der Rasse ist wiederum „Tajima“. Sie stammt aus Japan, wo die Tiere ursprünglich als Arbeitstiere auf Reisfeldern und im Bergbau genutzt wurden. Der Name „Kobe-Beef“ wiederum ist geschützt. Nur das Fleisch reinrassiger „Tajima“-Rinder aus der japanischen Präfektur Hyogo, deren Verwaltungssitz wiederum die Stadt Kobe ist, darf so bezeichnet werden. Am Ende eines weiteren Auswahlprozesses dürfen sich pro Jahr nur rund 3000 Rinder „Kobe-Beef" nennen.
Woher stammt das Wagyū-Beef außerhalb Japans?
Die Tiere die heute in den USA, Kanada, Australien und Deutschland gezüchtet werden, stammen von wenigen Rindern ab, die in den 90er Jahren zu wissenschaftlichen Zwecken aus Japan ausgeführt werden durften. Heute ist die Ausfuhr von lebendigen Wagyū-Rinder aus Japan verboten. Auch kein Genmaterial in Form von Embryonen oder Sperma darf das Land verlassen, denn in Japan wurden die Tiere zum geschützten Kulturgut erklärt. Wagyū- bzw. Fleisch vom Kōbe-Beef darf aber seit 2014 exportiert werden.
Die Fleischqualität
Wagyūs können wie keine andere Rasse Fett gleichmäßig in der Muskulatur einlagern. Während gängige Rinderrassen wegen der jahrzentelangen Zucht auf geringen Fettgehalt oft nur noch fünf Prozent Fettanteil besitzen, können es Wagyus je nach Marmorierung auf bis zu 40 Prozent Fett bringen. Das Fett sorgt für eine gleichmäßige, feine Marmorierung. Beim Braten oder Grillen des Fleisches schmilzt das Fett und sorgt für Zartheit und das unverwechselbare Aroma. Durch einen hohen Anteil an Omgea-3-Fettsäuren und Ölsäure (die auch in Avocados, Nüssen und Olivenöl vorkommt) gilt es außerdem im Vergleich zu anderen Rindfleischsorten auch noch als besonders gesund.
Die Marmorierung
Das Wagyū-Fleisch wird in 12 Marmorierungsgrade eingeteilt. Je höher der Marmorierungsgrad, desto stärker ist das Fleisch marmoriert. 12 bedeutet quasi Fett mit ein paar Fleischpunkten. Meistens wird der Grad der Marmorierung anhand von Skalen und Bildern eingeschätzt. In Australien kommt dabei auch eine Kamera mit einer speziellen Software zum Einsatz, die den Fettgehalt objektiv nachmisst. Eine solche Kamera soll es bald auch in Deutschland geben. Gesche Wendell-Fürsen erreicht in ihrer Zucht einen Marmorierungsgrad von 7-8. „Ich habe mal Fleisch mit dem Marmorierungsgrad 9 gegessen. Das war dann schon nochmal was Anderes und auch Tolles. Aber für jemanden, der das nicht gewohnt ist, fast schon ein bisschen extrem“, sagt sie. „Grad 7 bis 8 ist vollkommen ausreichend und lecker.“
Um eine mittlere Marmorierung zu erreichen, werden Wagyūs auch mit anderen Rassen (z. B. Holstein oder Angus) gekreuzt. Das macht das Fleisch auch günstiger. Reinrassiges Wagyū-Fleisch erkannt man u.a. an der Bezeichnung „fullblood“. Wer noch viel weiter ins Detail um Fleischqualitäten einsteigen möchte, dem sei dieser Text von Ralf Bos empfohlen.
Die Schlachtung
Entscheidend für die Fleischqualität ist auch die richtige Schlachtung. Haben die Tiere vor der Schlachtung Stress, wird das Fleisch mit Stresshormonen geflutet und die Qualität leidet. Gesche Wendell-Fürsen hat lange gesucht, bis sie die ideale Lösung für ihre Rinder gefunden hat. Sie arbeitet mit zwei Schlachtern zusammen: „Es war schwierig, einen guten Schlachter zu finden. Jetzt lasse ich bei dem einen schlachten und das Fleisch vier Wochen abhängen, teilweise sogar auch länger.“ In der zweiten Schlachterei wird das Fleisch nach ihren Wünschen zerlegt und vakuumiert.
Wagyūs aus Deutschland
In Deutschland werden Wagyūs seit 2006 gezüchtet. Mittlerweile gibt es auch einen eigenen Wagyuzuchtverband. In ihm sind inzwischen 150 Züchter und Halter organisiert, die rund 1500 Wagyu-Rinder halten. Als größter Züchter gilt Rüdiger Marquardt. Er hat sich auf die Zucht und den Verkauf von Tieren, Sperma und Embryos spezialisiert und vermarktet nur in Ausnahmefällen Fleisch. Bei einer Auktion soll er für einen Zuchtbullen schon 210.000 Euro erzielt haben. Weibliche Tiere kosten je nach Abstimmung bis zu 10.000 Euro.
Die Wagyū-Zucht und Haltung
Wagyūs wachsen langsamer als andere Fleischrinderrassen. Bis zu 36 Monate dauert es, bis die Tiere schlachtreif sind. Sie brauchen deswegen auch besondere Zuwendung. Gesche Wendell-Fürsen hat investiert und den alten Spaltboden beseitigt. Im Stall in Beringstedt werden die Rinder auf Stroh gehalten. Das ist tiergerechter aber auch deutlich teurer. In Japan werden die Tiere angeblich regelmäßig massiert und mit Bier getränkt, doch in Deutschland sieht man das pragmatischer: „Meine Wagyūs haben natürlich eine Massagebürste, aber das mögen alle Rinder gerne. Und man sagt ja auch, dass sie sich nicht so viel bewegen sollen, damit mehr Fett im Fleisch bleibt. Für uns hat die artgerechte Haltung der Tiere aber absolute Priorität“, sagt sie. Deswegen können ihre Wagyūs auch jederzeit ins Grüne. Zusätzlich zum Weidegang bekommen die Tiere Heu von den eigenen Wiesen. „Die Ochsen bekommen im letzten Jahr zur Endmast ein bisschen Mais von einem benachbarten Landwird zugefüttert.“
Wo kann man Wagyū-Fleisch kaufen?
Gesche Wendell-Fürsen schlachtet bislang nur 3 Tiere pro Jahr. Bei so geringen Mengen bietet sich vor allem die Direktvermarktung vor Ort an. Das Fleisch von Gesche Wendell-Fürsens Rindern kann man über die eigene Hof-Website oder bei Beef Excellence bestellen. Quellen für Kobe-Beef aus Japan sind u.a. Albers und Otto-Gourmet.
Für Wagyū-Fleisch muss man ordentlich was auf den Tisch legen. Je nach Marmorierungsgrad, Herkunft und Abstammung ist es das teuerste Rindfleisch auf dem Markt. Die Qualität des Fleisches, die Anschaffungs- und Haltungskosten haben eben ihren Preis. Zu der längeren Aufzucht kommt auch noch, dass Wagyūs eher zierliche Tiere sind und ihr Schlachtgewicht geringer als bei anderen Rassen ist. Die Preise für Ribeye und Filet beginnen ab 300 Euro pro Kilo.
Die perfekte Zubereitung
Und wie grillt man es nun am besten? Gesche Wendell-Fürsen hat extra einen Beefer (*) angeschafft. Der grillt das Fleisch mit seiner Gasflamme mit Oberhitze bei 800 Grad. Das macht Gesche von beiden Seiten, dann lässt sie es bei geringerer Hitze noch ein wenig ziehen, damit sich der Fleischsaft im Steak verteilen kann. Empfehlenswert ist dabei, es mindestens medium zu garen. Denn die Hitze muss bis ins Innere des Fleisches vordringen, damit sich das Fett im Fleisch löst und verteilt.
Gesche Wendell-Fürsen und ihre Familie essen Wagyū-Fleisch übrigens immer auf eine besondere Weise. „Wir grillen ein Rumpsteak und schneiden es in kleine Stücke. Der Geschmack von so einem kleinen Stück ist schon genial. Und danach gibt es für jeden einen Wagyū-Burger. Das Rumpsteak ist immer wie eine kleine Praline vorweg.“
Zum Würzen reichen Salz und Pfeffer, alles andere würde den Eigengeschmack zu stark überdecken.
Alle Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Christiane Herrmann. // (*) Amazon-Partnerlink