Michael Kempf, wie entsteht ein Menü im Facil?
Das ist ein kreativer Prozess, aber kein spontaner sondern sehr gut geplanter. Die Menüs wechseln bei uns alle acht Wochen und es gibt einen Jahresplan, in dem jeder Menüwechsel eingetragen ist. Für die Menüentwicklung setzen wir uns dann in einem Meeting zusammen. Zwei Wochen davor hänge ich in der Küche einen Zettel auf, in dem sich jeder mit Ideen eintragen kann: mit Ideen für einzelne Komponenten, Skizzen oder gleich ganzen Gerichten. Ein paar Produkte gebe ich immer vor.
Wie geht es dann weiter?
Dann setzen wir uns mit allen, die dabei sein wollen, in einem Café zusammen und entwickeln das Menü. Dann steht es in der Schriftform und wird noch fünf bis sechs Wochen in der Küche gekocht, ausprobiert und weiterentwickelt. Wenn die Gerichte vorläufig fertig sind, probiere ich sie zusammen mit unserem Restaurantleiter Manuel Finster und unserem Sommelier Felix Voges. Die beurteilen die Gerichte aus ihrer Perspektive bzw. aus der des Gastes: Stimmt die Säure, passen die Proportionen, ist das Gericht vielleicht zu schwierig zu essen? Erst wenn wir alle einverstanden sind, ist ein Gericht endgültig fertig.
...und dann steht auch schon wieder der nächste Menüwechsel an.
Richtig, dann geht es schon bald wieder von vorne los. Das Ganze ist ein ständiger Prozess.
Ist der Geschmack das einzige Kriterium für ein neues Gericht?
Nein, natürlich muss ich es auch gut kalkulieren. Ich darf gewisse Grenzen beim Menüpreis nicht überschreiten. Das bedeutet zum Beispiel, dass ich nicht nur mit Luxusprodukten arbeiten kann. Andererseits möchte ich das auch gar nicht, das wäre langweilig. Spannend wird es erst, wenn man auch aus vermeintlich einfachen Produkten etwas tolles machen kann.
Außerdem achten wir auch auf farbliche Abwechslung. Wir fotografieren alle Gänge und hängen sie an die Wand. Im Frühjahr passiert es dann zum Beispiel leicht mal, dass man mehrere hellgrüne Gänge hintereinander im Menü hat. Das geht natürlich nicht. Abwechslung braucht man auch für´s Auge.
Was ist denn der typische Michael-Kempf-Stil?
So banal es klingt: der besondere Geschmack. Jedes Gericht wird bei uns geschmacklich intensiv ausgearbeitet. Es geht um eine Art geschmackliche Tiefenschärfe. Außerdem geht es darum, was im Mund passiert: wie ist die Haptik, was spürt die Zunge, wie sind die Texturen und Konsistenzen? Im Mund muss richtig was los sein.
Es fällt auf, dass euer Patissier Thomas Yoshida besonders hervorgehoben wird und auf der separaten Dessert-Karte namentlich genannt wird. Warum diese herausgehobene Stellung?
Thomas Yoshida ist ein absoluter Fachmann auf seinem Gebiet und ich bin einfach sehr stolz, dass wir ihn haben. Er ist nicht nur menschlich ein feiner Kerl, sondern hat sich auch noch alles selbst beigebracht. Er hat vor 14 Jahren bei uns angefangen, war bei keinem anderen Meister sondern hat sich in alle Techniken selbst eingearbeitet. Die verdiente Anerkennung war natürlich die Auszeichnung zum Patissier des Jahres 2016 im Gault Millau. Und meine Wertschätzung drücke ich damit aus, dass er auch namentlich auftaucht und nicht nur hinter den Kulissen bleibt.
Generell scheint das Teamwork im Facil sehr wichtig zu sein...
Absolut. Wir sind ein harmonisches Team und das ist mir extrem wichtig. Ich bin geradezu harmoniesüchtig. Ich bin eine liberale Führungskraft, Ellenbogenmentalität und Rumschreien dulde ich nicht. Wir hatten auch schon tolle Fachleute auf ihrem jeweiligen Gebiet bei uns, mit denen es dann aber menschlich nicht passte. Die müssen dann wieder gehen. Denn ich bin für´s Team verantwortlich und kann es nicht verantworten, wenn jemand das sprengt.
Vielen Dank, Michael Kempf!
Beim Schleswig-Holsten Gourmet Festival hat Kempf ein Fünf-Gänge-Menü gekocht. Dies sind die Eindrücke davon.