Das Menü
Zum Auftakt des Menüs macht sich bei den Gästen eine Mischung aus Skepsis und leichter Belustigung breit. Der Grund: in dem Fond (aus geklärtem Granny Smith Saft) für den Eukalyptus-„Kavier" hatte Kempf nicht nur die namensgebenden Eukalyptus-Blätter ziehen lassen sondern auch „Fisherman's Friend“ aufgelöst. Wenn auch in nicht vordergründig herausschmeckbarer sondern lediglich homöophatischer Dosis. Aber taugt der Geschmack von Halspastillen für ein Gericht mit Topinambur und roter Beete? Zwar ließen sich beide (als Würfel geschnitten) geschmacklich nur schwer voneinander zu unterscheiden, der Kaviar ergänzte sie aber auf überraschend gute Weise. Das deutlich spannendere an diesem Gang war jedoch das Zusammenspiel der unterschiedlichen Konsistenzen von knackigen Gemüsewürfeln, einer Creme aus gelber Bete, Safran, gesalzener Butter und Yuzusaft und knusprigen (vergoldeten) Sonnenblumenkernen.
Den sanft in Nussbutter zur Perfektion pochierten Saibling hat Kempf auf eine Blumenkohl-Tofu-Creme gebettet, die leichte Sauce basiert auf einem Fond aus (nur dezent zu erahnenden) Räuchertomaten, Muskatblütenöl und Butter. Blumenkohl-Couscous (roher, geriebener Blumenkohl) und Kaviar bringen weitere haptische Abwechslung ins Spiel.
Den ersten Hauptgang dominieren orange Farbtöne. Die Challans-Ente wird begleitet von recht bissfestem Hokkaido-Kürbis (etwas stärker gegart hätte er seinen Geschmack vermutlich besser entfalten können), roh mariniertem Butternut-Kürbis (als Spaghetti geschnitten), kleinen Kumquat-Orangen und einer hervorragenden Blutorangen-Hollandaise mit buttrigem Zitrusaroma. Kempf entschied sich gegen eine Jus, weil deren Geschmack die Ente zu sehr dominieren würde. Eine gute Entscheidung! Die Ente selbst überzeugte mit kräftigem Eigengeschmack und Röstaromen der gebratenen Haut.
Der geschmorten Kalbsschulter stellte Kempf eine kräftige Tomatenmarmelade und eine knackige, mit leichter Whiskey-Note eingelegte Gurke zur Seite. Weitere Begleiter sind die Jus von karamellisierter Aubergine, Sauce Cremolata und roten, mit Ingwer eingelegten Perlzwiebeln. Die verblüffendste Begleitung ist jedoch die Moussaka-Creme. Mit Zucchini, Aubergine, Tomatenmark, Schalotten, Olivenöl, Piment D`Espelette, Meersalz und Ziegenkäse hat Kempf eine perfekte Ilussion deftigen griechischen Ofengerichts geschaffen, die tatsächlich alle Aromen des Originals vereint und dabei aber ganz leicht und samtig daherkommt.
Der herausragende Menü-Abschluss von Kempf´s Patissier Thomas Yoshida besteht aus einer Creme von würziger Java-Schokolade, einer Rote Beete-Sphäre (Rote Beete- und Kirschsaft u.a. mit Vanille und Zimt gewürzt und gel-artig gebunden) und als Kontrast einem frisch-säuerlichen Petersilien-Eis auf Joghurt-Basis. Auch das Dessert überzeugt auf ganzer Linie durch seine Harmonien und Kontraste: Die Erdigkeit der roten Beete ergänzt die kräftige Schokolade, das Eis bringt Frische, die unterschiedlichen Texturen von cremig, flüssig, knusprig bis gefroren sorgen für viel Abwechslung bei jedem einzelnen Löffel.
Fazit: Was nach teilweise nach Dissonanz der Aromen klingen mag, vereint Kempf in seinem Menü auf erstaunliche Weise zu Harmonie und Wohlgeschmack.
Wer wissen möchte, wie Michael Kempf Menüs wie dieses im „Facil“ entwirft, der kann das in unserem Interview nachlesen.
Offenlegung: Ich danke dem Schleswig-Holstein Gourmet Festival für die Einladung.