Der Koch
Seit September 2013 ist in die kulinarische Landschaft des bayerischen Waldes Bewegung gekommen. Da hat Michael Simon Reis begonnen, die kulinarische Identität seiner Heimat auf den Teller zu bringen. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, der eingefahrenen Gastronomie mit dem Motto „Hauptsache viel. Und viel Fleisch“ eine moderne Küche entgegenzusetzen, die den Rhythmus der Jahreszeiten, die Produkte, die Aromen und das Klima des Bayer-Waldes ins Zentrum rückt. Nach Stationen bei Johanna Maier in Filzmoos, im „Arzak“ (San Sebastian) und drei Jahren im Kreativteam vom Wiener „Steirereck“ unter Heinz Reitbauer ist Reis damals in seinen Heimatort zurückgekeht. Nun kocht er wenige Meter von der Kirche entfernt, in der er getauft wurde. Im FEINSCHMECKER wird das Johanns mit drei FFF bewertet.
Das Restaurant
Mitten in Waldkirchen liegt das Traditions-Modehaus Garhammer. Als man sich dort vor drei Jahren vergrößerte, beschloss man, ein Restaurant zu integrieren. Vorrangig mit dem Ziel, das Einkaufserlebnis für die Kunden noch besser abzurunden. Doch das Johanns ist längst selbst einen eigenen Besuch Wert und verfügt auch über einen separaten Eingang. Im obersten Stock des Neubaus sitzt man in einem offenen, hellen und puristisch eingerichteten Raum mit Betonfußboden. Das Highlight ist der weite Blick nach Westen bis zum Donautal. Mit Glück bekommt man noch einen Sonnenuntergang zum Abendessen serviert. Im Sommer kann man auf der schönen Terrasse sitzen.
Das Menü
Das Johanns ist für ein Sterne-Restaurant ziemlich günstig. Die Spanne reicht von vier Gängen für 65 Euro bis zu sechs Gängen für 85 Euro. Vorweg gibt es Kleinigkeiten wie diese: Pikantes Studentenfutter, ein „Knäckebrot“, gefüllt mit sensationeller Räucherfischcreme, Bienenwachsmarshmellow in aromatischer Wildsalami eingewickelt, blanchierter, saurer Stangensellerie, Chia Cracker und ein saftiger, gebackener Kalbskopf.
Weiter geht’s mit einer „rot gebeizten" Goldforelle, die mit eingelegtem Kohlrabi, Kohlrabirohkost, Forellenkaviar und Senfkörnern kommt. Weitere Bestandteile sind das Rote Rüben Knusper, ein Rübenfond mit Gerstenmiso, Brunnenkresse und Zitronat-Zitrone. Sie sorgen für ein frisches Geschmacksbild.
Die „Brotzeit“, die es zum Auftakt gibt, ist so etwas wie Reis´ Visitenkarte: Marinierte Geflügelleber wird dazu auf gepökeltes und dünn gepresstes Wollschwein gerieben. Dazu kommen ein kleines Ragout aus Rettich und Essiggurken, Senf und buttrig duftendes Laugenbrioche. Versammelt man die einzelnen Komponenten auf einer Gabel, ergibt ihr Zusammenspiel das deftige Geschmacksbild einer klassischen Brotzeit. Sehr vergnüglich!
Zuckermais, Erdäpfel-Tascherl mit brauner Butter, glaciertem Kalbsbries und grüne Trauben ergeben ein herrlich süffiges Gericht mit abwechslungsreichen Nuancen. Warme Sauce, knackiger, süßer Mais, erdige Kartoffel-Ravioli und dazu das saftige glasierte Kalbsbries sind eine Wonne. Der Klee ist hier mehr als nur Deko, seine Säure ist ein schönes I-Tüpfelchen.
Frappierend lecker ist der Waller, der sich ohne erkennbare Struktur wie weiche Butter zerteilen lässt. Man staunt, was so ein nicht gerade hübscher Fisch, der sich auch gerne mal von Aas ernährt, bei Reis für einen ästhetischen Genuss liefert. Die Ochsenherztomate und Spitzpaprika sind so intensiv, dass man vom bayerischen Wald kurzzeitig regelrecht in mediterrane Gefilde katapultiert wird. Dafür sorgt auch der kräftige Jus, für den Reis die Paprika entsaftet hat. Im Johann´s gibt’s übrigens fast ausschließlich Süßwasserfische. „Die Leute kommen schließlich nicht für Thunfisch in den bayerischen Wald“, sagte Reis im FEINSCHMECKER-Interview. Stattdessen gibt’s bei ihm auch mal Karpfen. „Mir ist schon klar, dass der nicht den besten Ruf hat. Aber dann muss ich eben als Koch mit gutem Handwerk gegensteuern!“
Weiteres Beispiel für den Stil im Johanns: Das Reh, von dem es nicht nur den rosa gezogenen Rücken sondern auch die geschmorte Keule gibt. Ein Grundprinzip von Reis, der grundsätzlich nur ganze Tiere verarbeitet. „Der Gast hat einen vollständigeren Eindruck vom Tier und ich als Koch habe mir nicht nur vermeintliche Edelteile rausgepickt.“ So einleuchtend, so gut. Das Reh wird begleitet von einem Jus, der so konzentriert ist, dass das natürliche Collagen die Lippen zusammenkleben lässt. In der Variation aus dem aktuellen FEINSCHMECKER-Heft serviert Reis dazu einen Germknödel mit Powidl.
Bei diesem kleinen Kunstwerk ist die Limonen-Buttermilch gestockt, darauf findet sich der knusprige Mürbteig, ein frischer Zitrusschaum, die gefrorenen Zitrussegmente als Bruch und ein herrlich blumig-cremiges Bergamotte-Eis. Ziemlich sommerlich für ein Herbstgericht aber deshalb natürlich nicht weniger lecker.
Außer der Reihe haben wir noch dieses Ensemble bestellt. Es besteht aus einem knusprigem (und etwas süßem) Nusstörtchen mit Milchschaum, einer Bienenwachs-Panna Cotta, für die Reis das Wachs in der Sahne geschmolzen hat und im kalten Zustand wieder von ihr getrennt hat, Quittenfond und Blüttenpollen-Schokolade, denen die feinen Perlen ein blumiges Aroma verleihen. Ein absoluter Kracher aber ist das Getreideeis. Hierfür haben Frühstückscerealien einige Zeit in der Eismasse gezogen. „Das Eis soll so schmecken wie der letzte Schluck Milch in der Schüssel, wenn man sein Frühstück ausgelöffelt hat. Das ist einfach eine Kindheitserinnerung.“ Und genau so schmeckt es. Richtig gut. Wer das Rezept nachkochen möchte, findet es ebenfalls in der aktuellen Ausgabe des FEINSCHMECKER (01/17).
Die Petit Fours mit Candystore, Olivenöl Gummi, Mandelbrownie, „JOHANNS Echte", geeistem Waldmeister Lolli, Pflaumenschokolade, Himbeerleder und Baiser Zuckerstange halten das hohe Niveau bis zum Schluss.
Das ausführliche Portrait über Michael Simon Reis steht in der Ausgabe 01/17 des Magazins „DER FEINSCHMECKER“, die man hier ganz einfach online kaufen kann.