Kochbuch-Rezension

Unser kulinarisches Erbe

Lieblingsrezepte der Generation unserer Großeltern

8,4 / 10

Das Kochbuch

Was bleibt, wenn unsere Großeltern einmal gestorben sind? Viele Erinnerungen, vor allem auch kulinarische. Aber das Wissen, wie man diese Erinnerungen wieder zum Leben erweckt, geht häufig verloren. Dieses tolle Kochbuch-Projekt wirkt dem entgegen. Seine Macher und Köche sind durch die Republik gereist, um die ursprünglichen Rezepte der Großeltern-Generation für die Nachwelt zu erhalten. Dafür muss man ihnen ein großes Kompliment machen.

Das Thema

Eigentlich ist dies viel mehr als nur Kochbuch für traditionelle deutsche Küche. Eher ein gesellschaftlicher Anstoß. Denn es geht den AutorInnen nicht nur darum, das kulinarische Erbe zu erhalten sondern auch den Blick dorthin zu wenden, wo viel zu wenig hingesehen wird: in die Küchen der deutschen Seniorenheime. In ihrem Vorwort bringen die MacherInnen das Problem wunderbar auf den Punkt: Menschen in Seniorenheimen haben mehr kulinarischen Respekt verdient. Oft werde ihre Verpflegung nur als Kostenfaktor gesehen. Dabei sei das Essen auch emotionaler Genuss, Erinnerung und Kommunikation. Die Forderung: Küchen in Seniorenheimen sollte eine viel wichtigere Rolle zukommen, sie soll Dreh- und Angelpunkt von Gemeinsamkeit, Lebensfreude und Genuss sein. Und wer das Essen in Seniorenheimen schonmal mit eigenen Augen gesehen hat, kann sich dem nur anschließen.

Der Inhalt

Jedes Kapitel und jede Station der Reise beginnt mit einem Reportageteil, in dem sympathisch und einfühlsam von den Begegnungen mit der Großeltern-Generation erzählt wird. Die Orte und Gerichte der Reise stehen meist stellvertretend für das gesamte Bundesland.

Die Rezepte

Dies sind die Stationen und ein paar Rezeptbeispiele:

  • Berlin: Zuckerkuchen, Schmorgurken, Kohlrouladen, süße Malzbiersuppe
  • Starnberg: Böfflamott, Hollerkücherl, Leberknödelsuppe, Nonnenfürzle,
  • Hamburg: Krabbensuppe, Scholle Finkenwerder Art, Großer Hans, Birnen Bohnen und Speck, Franzbrötchen
  • Bremen: Knipp, Klaben, Pluckte Finken, Matjes Hausfrauenart
  • Hannover: Hochzeitssuppe, Zungenragout, Lüneburger Buchweizentorte, Welfenspeise, Altländer Apfelsuppe
  • Frankfurt: Leiterchen mit Beulches, Bickenbacher Dunksel, Riwanzerl, Schwälmer Plitscheküche
  • Halle/Saale: Hopseklöße, Wickelhütes, Eierschecke, Bötel mit Lehm und Stroh, Teltower Rübchen
  • Köln: Kesselknall, Rievekooche mit Gulasch, Soorbrode, Apfelklöße mit brauner Butter
  • Münster: Möpkenbrot, Pfefferpothast, errötetes Mädchen, Töttchen, Knisterfinken
  • Tübingen: gefüllte Kalbsbrust, Gaisburger Marsch, Kratzete, Bibbeleskäs
  • Nürnberg: gefüllte Tauben, süße Kartoffelfinger mit Mohn, saure Zipfel, Knieküchle, Elisenlebkuchen.

Es ist erkennbar, dass an dieser Rezeptauswahl nicht alles überraschend ist (was ja auch kein Kriterium sein muss) und vieles auch recht naheliegend ist. Aber Klassiker sind eben Klassiker. Bedauerlich ist, dass nicht bei allen Gerichten auch eine Erläuterung ihrer Herkunft und Geschichte zu lesen ist. Aus kulinarischer Sicht ist der pure, klare und unverstellte Charakter der Gerichte ohne modische Mätzchen und Ergänzungen aber sehr positiv.

Der Autor

Manuela Rehn und Jörg Reuter beraten Unternehmen darin, verantwortungsvoll zu handeln und damit erfolgreich zu sein. In Berlin betreiben sie ein eigenes Lebensmittelgeschäft: „Vom Einfachen das Gute“. Die Rezeptrecherche für das Kochbuch hat Andreas Rieger übernommen, der zuvor in den Berliner Restaurants „reinstoff“, „Horváth“ und „einsunternull“ (1 Michelin-Stern) kochte. Unterstützt wurde er von vielen KollegInnen vor Ort: Micha Schäfer, Sebastian Frank, Fabio Haebel, Tony Hohlfeld, Ricky Saward, Lisa Angermann, Julia Komp, Christoph Hauser, Joachim Busch und Valentin Rottner.

Die Zielgruppe

Ein Kochbuch für alle, die sich für echte, authentische deutsche Regionalküche interessieren und Klassiker zu schätzen wissen.

Der Schwierigkeitsgrad

Da es sich in aller Regel um Hausmannskost im besten Sinne handelt, ist die Zubereitung zwar manchmal langwierig aber nicht sonderlich kompliziert. Für die Erfahrung der alten Generation braucht man natürlich ggf. noch ein paar Jahre am Herd.

Die Optik

Caro Hoehne hat die Reportagefotografie vor Ort übernommen, Jörg Lehmann hat die Rezepte im Studio fotografiert. Das sieht alles sehr schön und ästhetisch und niemals überladen aus. Aber wie wäre es mit der Idee gewesen, die Gerichte auch direkt vor Ort nach ihrer Entstehung zu fotografieren? Das wäre noch authentischer und würde weniger Distanz zu dem Geschehen vor Ort schaffen.

Die Zutaten

Faustformel: je einfacher ein Gericht, desto wichtiger ist die Qualität der Zutaten. Denken Sie mal drüber nach.

Das Fazit

Die Idee dieses tollen Kochbuchs kann man noch endlos weiterführen, mit unzähligen weiteren Bänden. Denn je regionaler und lokaler es wird, desto klarer wird, wie kulinarisch vielseitig dieses Land ist. Und so sind noch viele Regionen offen und wollen beackert werden! Denn dieses Wissen gilt es zu erhalten. Allen, die an diesem Kochbuch mitgewirkt haben, kann man für diese Mission nur danken!

Veröffentlicht am 01. Dezember 2019, überarbeitet am 01. Dezember 2019.
Bild
geschrieben von:
Benjamin Cordes
Benjamin Cordes ist Journalist und beschäftigt sich beruflich ausschließlich mit kulinarischen Themen. Als Autor recherchiert er Beiträge über die Qualität von Lebensmitteln und Restaurants für das NDR Fernsehen.

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