Kulinarisches

Die Rückkehr der Ostsee-Miesmuschel

An den Küsten Schleswig-Holsteins ist die Miesmuschel ein Nahrungsmittel mit langer Tradition. Doch ihre Kultivierung ist gerade besonders an der Ostseeküste etwas in Vergessenheit geraten. Mit wissenschaftlicher Hilfe wurde die Technik des Muschelanbaus nun wiederbelebt und verbessert. Meeresbiologe Tim Staufenberger war an der Wiederentdeckung und Optimierung des Muschelanbaus beteiligt und hat sich in der Kieler Förde mit einer Muschelfarm selbstständig gemacht, die gerade den Kieler Nachhaltigkeitspreis gewonnen hat.

Muschelzucht in der Kieler Förde

Bild

Kultivierung wilder Tiere

Von Muschelzucht zu sprechen, ist eigentlich nicht ganz korrekt. Denn die wilden, jungen Muschellarven siedeln sich ganz von alleine in der Anlage an – wenn man ihnen die richtigen Bedingungen bietet. „Alles was bei drei nicht aus dem Wasser ist, wird besiedelt“, sagt Staufenberger scherzhaft. Seine Konstruktion: Von einer Langleine, die von Bojen an der Oberfläche gehalten wird, hängen 2 bis 3 m lange Polypropylenseile in die Tiefe der Kieler Förde hinab. An ihnen setzen sich die winzigen Miesmuschellarven fest und bleiben dort bis zum Schluss. Ihre Nahrung, tierisches und pflanzliches Plankton, filtern sie aus dem Ostseewasser. Bis zur Ernte dauert es drei Jahre. „Im ersten Jahr siedeln sich die Muscheln an, im zweiten werden sie gepflegt und im dritten können wir sie ernten“, erklärt Staufenberger. Bis die Muscheln groß genug dafür sind, haben sie längst selber wieder für Nachwuchs gesorgt. Eine ständige natürliche Erneuerung des Bestandes.

Bild
Die Kieler Meeresfarm (© Christiane Herrmann)

Die Gefahr am Meeresgrund

Die Muschelernte beginnt traditionell im Herbst. Ob die Muscheln an der Leine groß groß genug sind, kann Staufenberger ganz einfach an der Boje erkennen, die an der Oberfläche befestigt ist: sie beginnt abzusinken. Eine Muschel-Leine wiegt dann zwischen 800 und 1000 Kilogramm. Zu schwer dürfen die Leinen nicht werden. Denn wenn sie den Schlick am Meeresgrund berühren, droht Gefahr. „Dann kommen die Seesterne, klettern die Leinen hinauf und fressen die Muscheln weg.“ Dass die Muscheln im freien Wasser hängen anstatt auf dem Grund zu wachsen, hat aber noch einen weiteren Vorteil: sie versanden nicht und müssen daher nicht extra gespült werden.

Bild
Tim Staufenberger mit seiner Ernte (© Christiane Herrmann)

Die R-Regel

Schon lange vor der Ernte werden jede Woche Proben der Muscheln genommen und amtstierärztlich untersucht, um Schadstoffbelastung und bakterielle Verunreinigungen auszuschließen. „Wir sind immer deutlich unter allen Grenzwerten“, versichert Staufenberger. Sollte es einmal anders sein, würden Ernte und Verkauf sofort gestoppt. Besonders als Überträger von Hepatitis-Viren sind Muscheln gefürchtet. Die Regel, Muscheln nur in den kalten Monaten mit „r“ zu verzehren, ist jedoch schon lange überholt. „Das stammt aus einer Zeit, als die Kühlmöglichkeiten noch nicht so gut waren. Muscheln müssen immer lebend verkauft werden und das geht nur mit strikter Kühlkette“, sagt Staufenberger. Er könnte seine Muscheln auch problemlos im Sommer verkaufen. Doch die Winterzeit ist als Muschelsaison so fest in den Köpfen der Kunden verankert, dass es im Sommer keinen Markt dafür gibt.

 

Frisch nur zur Muschelsaison

Mit maximal fünf Tonnen Ertrag pro Jahr bedient die Kieler Meeresfarm nur einen Nischenmarkt und ist keine Konkurrenz für Muschelfischer an Nord- und Ostsee. Anders als in der Nordsee, wo es erlaubt ist, Muscheln für den Eigenbedarf privat zu sammeln, ist das in der Ostsee verboten. Wer Ostsee-Miesmuscheln essen will, muss sie also kaufen. Die Muscheln der Kieler Meeresfarm kann man bislang nur in einigen Restaurants in der Umgebung essen und in wenigen Supermärkten in Kiel, Lübeck und Flensburg kaufen. Staufenberger plant jedoch, die Farm zu vergrößern und auch Wochenmärkte zu beschicken. Doch am liebsten transportiert er die Muscheln gar nicht: Den meisten Umsatz macht er in der Direktvermarktung von der Kaimauer aus. Jeden Samstag verkaufen er und seine Mitarbeiter die Miesmuscheln am Kieler Tiessenkai direkt vom Kutter, Luftlinie nur wenige hundert Meter von der Farm entfernt.

 

Der Verkauf der Meeresfarm läuft noch bis Mitte März, Sa. von 14:00 bis 15:00 Uhr.

Empfehlung von Kaisergranat
Staub Muscheltopf, mit Deckel 25 cm, 2,0 L
Staub Muscheltopf, mit Deckel 25 cm, 2,0 L
Emailliertes Gusseisen, Spülmaschinengeeignet, Langlebig, pflegeleicht und einfach in der Handhabung, Geeignet für alle Herdarten inkl. Induktion.
Veröffentlicht am 08. Februar 2018, überarbeitet am 08. Februar 2018.
Bild
geschrieben von:
Benjamin Cordes
Benjamin Cordes ist Journalist und beschäftigt sich beruflich ausschließlich mit kulinarischen Themen. Als Autor recherchiert er Beiträge über die Qualität von Lebensmitteln und Restaurants für das NDR Fernsehen.
Anzeige

Kulinarisches

Alles, was man zum Grillen wissen muss.

Alles, was man zum Grillen wissen muss.

„Beef Buddy“ Tarik Rose und Steakexperte Dirk Ludwig im großen Interview. Worauf muss man beim Fleischkauf achten, sollte man vorher oder nachher salzen und was ist das Geheimnis vom „dry aging“? All das erfahrt Ihr hier.weiterlesen
Auf dem Wochenmarkt mit Thomas Sampl

Auf dem Wochenmarkt mit Thomas Sampl

Der Hamburger Koch Thomas Sampl hat es sich zum Ziel gesetzt, regionale Produzenten und kulinarische Vielfalt zu stärken. Sein Wissen und seine Enthusiasmus vermittelt er unter anderem bei Touren über Hamburger Wochenmärkte. Wir haben ihn dabei begleitet.weiterlesen
Bretagne trifft Hamburg

Bretagne trifft Hamburg

Frédéric Morel hat vor kurzem das „Seven Oceans“ in Hamburg verlassen, um sich in Münster selbstständig zu machen. Maurizio Oster aus dem Zeik wurde gerade vom Gusto-Führer zum Newcomer des Jahres ausgezeichnet. Zusammen mit Robin Bender haben die beiden im Restaurant „Zeik“ ein…weiterlesen
Brot backen: Der Mythos vom traditionellen Handwerk

Brot backen: Der Mythos vom traditionellen Handwerk

Vor kurzem sorgte eine große Geschichte im „Stern“ für Aufregung: In „Das Märchen vom guten Brot“ schreibt Bert Gamerschlag einen Abgesang auf das deutsche Bäckerhandwerk. Viele Brote seien nur angerührte Fertigmischungen, dazu noch voll mit Zusatzstoffen. Wie schlecht ist es also wirklich um das…weiterlesen

Kochbücher

#askToni – Wein ist unkompliziert!

#askToni – Wein ist unkompliziert!

8 / 10
Kochbuch von
18,00 €
Sommelier Toni Askitis, nach eigener Beschreibung „Düsseldorfer Grieche“, ist ein Social Media-Phänomen (und -talent!). Unter dem Hashtag #asktoni, der zugleich so etwas wie sein Künstlername geworden ist, beantwortet er allen, die sich für Wein interessieren aber noch keine totalen Cracks sind,…weiterlesen
100 Fingerfoods

100 Fingerfoods

7,5 / 10
25,00 €
Regelmäßig steht Gastgebern vor einer Party leichte Panik ins Gesichts geschrieben, angesichts der Frage, was man seinen Gästen denn wohl als Fingerfood servieren könnte. Schon wieder Schnittchen oder Tomatemozarellabasilikum? Höchste Zeit, dass ein Kochbuch das Thema aufgreift und Fingerfood auf…weiterlesen
100 Gerichte, die du gekocht haben musst, bevor du den Löffel abgibst

100 Gerichte, die du gekocht haben musst, bevor du den Löffel abgibst

7,9 / 10
Kochbuch von
20,00 €
Das sollen sie also sein. Die 100 Gerichte, die jeder von uns vor seinem Ableben gekocht haben muss. Das ist natürlich eigentlich in erster Linie eine ziemlich subjektive Angelegenheit. Trotzdem sind die Klassiker, die Annette Sandner hier zusammengetragen hat, (fast) alle das Nachkochen Wert.…weiterlesen
180° 20 min

180° 20 min

8,1 / 10
35,00 €
Das Blankeneser Fischhuus ist in den Hamburger Elbvororten eine Institution. Seit 1924 verkauft der privat geführte Betrieb Fisch, Meeresfrüchte, Feinkost und Räucherwaren aus der eigenen Räucherkammer. Nun werden das Traditionsgeschäft und seine Betreiber einem schönen Kochbuch gewürdigt, das zu…weiterlesen