Kochbuch-Rezension

Pur, präzise, sinnlich

Ganzheitlicher Genuss - die Zukunft des Essens

8,9 / 10

Das Kochbuch

Hier hat man es nicht mit einem gewöhnlichen Kochbuch zu tun. Aber wär hätte das bei Jürgen Dollase auch erwartet. Eher ist es eine Kreuzung aus Kochbuch, Sachbuch und einer philosophischen Schrift. Dollase verlässt – einmal mehr – den rein praktischen Teil des Kochens und plädiert für eine neue Küche. Eine, die mehr Achtung vor den Produkten, mehr Präzision im Umgang mit ihnen und eine neue kulinarische Sensibilität hat. Und an diesen Formulierungen zeigt sich schon, wie es hier zur Sache geht: geisteswissenschaftlich, akademisch, intellektuell. Das ist manchmal nicht ganz schlüssig, manchmal anstrengend (durchaus auch im positiven Sinne) aber meistens sehr spannend, weil es neue Denkanstöße gibt. Und die Themen sind allesamt aktuell: Überwürzung und Denaturierung von Produkten, eine aus Dollases Sicht mangelhafte Produktqualität, Überernährung, schlechter Umgang mit vermeintlichen „Resten“ und die Industrialisierung.
Um diesem Buch gerecht zu werden, müsste man eigentlich eine ebenso umfangreiche Rezension wie das Buch schreiben. Und weil sich dieses Buch so deutlich von „gewöhnlichen“ Kochbüchern unterscheidet, greift diese Form einer Rezension im Grunde zu kurz. Wir beschränken uns daher auf den praktisch-kulinarischen Teil.

Der Autor

Einen bewegteren Lebenslauf findet man im gastronomischen Metier sonst wohl kaum: Dollase studierte Kunst, Musik und Philosophie, war von 1970 bis 1983 professioneller Rockmusiker (in der Band Wallenstein), danach als Autor und Produzent tätig, mit zunehmendem Interesse am Kochen. Seit 1999 schreibt er für die F.A.Z., auch für die F.A.S., den Feinschmecker, Port Culinaire und Fine. Außerdem ist er Autor zahlreicher Bücher zu kulinarischen Themen. Sein neuestes Projekt ist das Portal EAT - DRINK - THINK.

Die Zielgruppe

Wer sich gerne auch abseits vom Herd mit Kulinarik und größeren Zusammenhängen beschäftigt, der ist hier genau richtig. Und ganz nebenbei liefert das Buch noch eine ganz hervorragende Grundlage für Diskussionen.

Die Rezepte

Das Wort unkonventionell beschreibt es wohl am besten. Dollase zeigt Rezepte, die man so eher noch nicht gesehen hat. Eine Tomatensuppe ohne weitere Zutaten, bei der der reine intensive Tomatengeschmack im Vordergrund steht, eine Kartoffelvariation mit verschiedenen Kartoffelsorten oder eine Variation aus einem einzigen Apfel klingen vielleicht verrückt, sind aber nicht im geringsten gezwungen kreativ sondern zeigen tatsächlich neue Wege auf, die den kulinarischen Horizont erweitern können. Dabei geht es dann weniger darum, die Rezepte 1 zu 1 nachzukochen, sondern ihr Prinzip zu verstehen und auf andere Produkte zu übertragen. Sehr spannend!

Der Schwierigkeitsgrad

Die einzelnen Handgriffe sind hier meist  nicht besonders komplex. Aber für alle Rezepte gilt: der Weg ist das Ziel. Will man Dollase also in seinem Sinne folgen, kocht man nicht stumpf ein Rezept von ihm nach, sondern vollzieht die Denkprozesse dabei nach und – noch besser – beschreitet eigene Wege und denkt immer noch einen Schritt weiter.

Das beste Rezept

„Huhn in Huhn“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie Dollase rund um ein Produkt eine spannende Vielfalt auf den Teller bringt. Von der pochierten Brust und den karamellisierten Flügel bis hin zum Eigelb. Unbedingt nachmachen.

Das Neue

Häufig ist vieles an Dollases Büchern neu, nicht zuletzt kann er für sich durchaus auch in Anspruch nehmen kann, Trends in der Gastronomie zu setzen. Und so ist es auch hier.

Die Optik

Da es ohnehin manchmal schon schwer ist, Dollase zu folgen, wäre eine klarere optische Orientierung bei den einzelnen Abschnitten sehr hilfreich gewesen. So irrt man zeitweise etwas umher, ohne genau zu wissen, ob man noch im alten Kapitel/Rezept ist oder schon im nächsten. Das macht es etwas beschwerlich. Ganz hervorragend puristisch und klar wiederum sind die Bilder, die fast alle von seinem Freund und Mitstreiter in kulinarischer Mission Thomas Ruhl sind.

Die Zutaten

Wenn Dollase Sie dabei ertappen würde, dass sie im Discounter einkaufen, würde er Sie mit seinem Kochlöffel in einen für immer Dosensuppe essenden Schmächtling verzaubern. Im Ernst: wer dieses Buch kauft, der macht auch beim Produkt keine Abstriche.

Das Fazit

Körperliche Anstrengung und viel Denken erfordert dieses Buch. Der Lohn sind spannende Denkanstöße und Ideen für die Fortentwicklung der eigenen Küche. Ein sehr lohnenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 11. Juli 2017, überarbeitet am 11. Juli 2017.
Bild
geschrieben von:
Benjamin Cordes
Benjamin Cordes ist Journalist und beschäftigt sich beruflich ausschließlich mit kulinarischen Themen. Als Autor recherchiert er Beiträge über die Qualität von Lebensmitteln und Restaurants für das NDR Fernsehen.

Kochbücher von Jürgen Dollase

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