Das Kochbuch
Aus kulinarischer Sicht gibt es in den Alpen kaum einen spannenderen Ort als das Rote Wand Gourmet Hotel in Lech. Neben seinem weit über Österreich hinaus bekannten „Chef´s Table“-Restaurant gibt es dort auch das „Culinary Lab“. Eine Keimzelle für spannende gastronomische Pionierarbeit, wo man an der „Neuerfindung des alpinen Geschmacks“ arbeitet, wie es im Buch formuliert wird. Dessen mehr als 300 Seiten sind ein umfangreicher, horizonterweiternd und spannender Einblick, in das, was in dem Koch-Labor passiert.
Das Culinary Lab
Where the magic happens: Im Untergeschoss des Rote Wand Gourmet Hotels befindet sich da Culinary Lab. Es ist der Arbeitsplatz von Jamie Unshelm, der dort ausgestattet mit viel Technik, aber noch mehr Handwerk, Wissen und Begeisterung daran arbeitet, die Lebensmittel aus der näheren bis unmittelbaren Umgebung zu veredeln und zu Gerichten zu verarbeiten, wie man sie sonst praktisch nicht findet.
Einlegen und verschiedene Fermentationstechniken sind die Mittel seiner Wahl, um die Früchte des (kurzen) Alpsommers zu konservieren. Sein Wissen gibt Unshelm auch in (Koch-)Kursen an Gäste weiter.
Das Culinary Lab ist aber noch mehr: Unter dem Namen „Friends and Fools“ kommen quasi laufend Gast-Köchinnen und -köche aus allen Himmelsrichtungen hierher und bringen ihre Küche mit. Viel mehr Vielseitigkeit als an diesem Ort scheint kaum möglich.
Die Rezepte
Das Buch ist in etwa fünf Kapitel eingeteilt: „Konservieren des Sommers“, u.a. mit Rezepten für´s Einlegen, Sirup, Öle und Marinaden. Im zweiten Abschnitt geht es um´s Fermentieren mit Themen und Rezepten rund um Milchsäuregärung, Koji, Miso, Shoyu, Garum und Kombucha
Das „Friends&Fools“-Kapitel gibt einen Einblick in neun kulinarische Gastspiele, u.a. von den Berliner Restaurants Otto und Nobelhart&Schmutzig oder auch dem Bootshaus im österreichischen Traunkirchen.
„Fine Dining im Culinary Lab“ ist das zentrale Kapitel mit Gerichten aus Jamie Unshelns Küche. Beispiele für seine Gerichte sind sind Bergkäse, Wacholder, Mädesüß / Krapfen, Lamm, Bärlauch / Zander, Chawanmushi, Bärlauch / Reh, Pfifferling, Ribel / Bergkäse, saure Gurke, Senfkörner / Zirbe, Sauerrahm, Sauerklee oder Fujisan, Topinambur, Lammfett.
Für unseren Geschmack hätte die Auswahl der Gerichte durchaus einen klareren Fokus auf typische Alpenprodukte haben können, um das Versprechen der „neuen alpinen Küche“ noch besser herauszustellen. Und dafür entsprechend etwas weniger Rezepte wie „Wassermelone, Pinienkerne, Tomate“.
Schwierigkeit und Zielgruppe: Kann man diese Rezepte nachkochen?
Jein. Es sind einige dabei, die tatsächlich recht unkompliziert und sogar innerhalb überschaubarer Zeit nachkochbar sind. Viele andere benötigen zeitlichen Vorlauf (etwa weil Fermentation im Spiel ist), bestehen aus aufeinander aufbauenden Teil-Rezepten oder erfordern bestimmte Küchentechnik.
Schmälert das den Nutzwert des Buches? Nein. Denn seine Lektüre ist, wie eingangs geschrieben, horizonterweiternd und spannend. Für ambitionierte Hobbyköche ist das Nachkochen ohnehin ein geringeres Problem und Profis können hier noch eine Menge lernen.
Die Zutaten
…sind unterschiedlich schwer zu beschaffen. Einige gibt es überall, andere sind außerhalb der Alpen nicht erhältlich. Die beste Einkaufsquelle? Die Natur! Denn am ehesten macht man es wie Jamie Unshelm und geht draußen selbst auf Entdeckungsreise.
Die Autoren
Jamie Unshelm, der aus dem Ruhrgebiet stammt und dessen Wahlheimat die Alpen geworden sind, hat vor seiner Arbeit im Culinary Lab eine Vielzahl von Stationen in den unterschiedlichsten Küchen der besten Restaurants absolviert.
Christian Seiler ist Journalist, Autor und Kolumnist. In seinem Buch „Alles Gute – Die Welt als Speisekarte“ berichtet er von seinen kulinarischen Erlebnissen auf Reisen rund um die Welt. Und in „In alles wird gut – Die Welt als Speisekarte“ lässt er in über 200 Rezepten an seiner sinnlichen und emotionelen Art, das Kochen und Genießen zu erleben, teilhaben. Dafür erhielt er 2023 die „Besondere Ehrung“ beim Deutschen Kochbuchpreis.
Heike Bräutigam hat die Rezepttexte geschrieben, am Konzept mitgewirkt und das Lektorat übernommen.
Die Optik
Ein klares Layout und eine prägnante Fotografie mit oftmals knackigem Blitz von Ingo Pertramer schmücken das Buch, das ein sehr angenehmes, kompaktes Format hat.
Das Fazit
Angesichts des Facettenreichtums des Culinary Labs ist es eine große Aufgabe, seine Vielgestaltigkeit in ein Buch zu fassen. Aber das ist hier hervorragend gelungen. Ein kulinarischer Schatz.