Wochenmärkte haben es ja bekanntermaßen nicht besonders leicht, leiden unter der Supermarkt- und Discounterkonkurrenz und dem veränderten Einkaufsverhalten der Kundschaft. Was man darüber manchmal ganz vergisst: wie schön es sein kann, mit dem Korb unterm Arm von Stand zu Stand zu schlendern, sich mit Produzenten zu unterhalten und - vor allem - beste Qualität zu bekommen.
Der Hamburger Koch Thomas Sampl ist in Sachen Wochenmarkt Überzeugungstäter und teilt seinen Begeisterung regelmäßig mit anderen Interessierten. Auf geführten Wochenmarkttouren, denen sich noch eine kleine Stadtführung und ein Kochkurs anschließen. „Smutjes Landgang“, so heißt das Ganze bei ihm.
Sampl läuft mit seinen Teilnehmern entweder über einen Öko-Wochenmarkt im Stadtteil Ottensen, den Isemarkt (einer der schönsten Wochenmärkte der Republik und weit über Hamburg hinaus bekannt) oder den Großneumarkt in der Hamburger Neustadt. Wir waren vor kurzem bei einer Tour über letzteren dabei.
Der Rundgang beginnt mit einer eindrücklichen Schilderung der Veränderungen auf dem Gemüsegroßmarkt: wo früher die vielen Erzeuger aus Hamburg und Umgebung ihre Produkte angeboten hätten, würden heute vor allem Waren aus der ganzen Welt gehandelt - und eben kaum noch das Obst und Gemüse von regionalen Landwirten, berichtet Sampl.
Die geführte Tour auf dem Wochenmarkt ist also auch eine gute Gelegenheit, dieser Entwicklung ein Stück entgegen zu wirken und direkt bei den Erzeugern einzukaufen. Die Aufgabe für die Teilnehmer ist es, alle Zutaten für das spätere Menü einsammeln. In unserem Fall Poularde mit Fenchel, Karotten, Kartoffeln, Rote Beete-Salat, Walnuss-Spätzle und Portulaksalat.
Ein schönes Beispiel für die regionale Vielfalt finden wir gleich beim Apfelstand: nach dem wir zig Sorten probiert haben, fällt unsere Wahl am Ende auf den Karmijn de Sonnaville. Eine alte holländische Sorte, die kurz nach dem zweiten Weltkrieg aus einer Kreuzung der Sorten Cox Orange und Jonathan entstand. Ihr säuerliches, kräftig würziges Aroma ist umwerfend! Auch die Walnüsse für die Spätzle gibt’s am gleichen Stand, ebenfalls aus eigener Ernte.
Ein Paradebeispiel für gute regionale Produkte ist auch der Käse, den wir ebenfalls für die Spätzle benötigen. Am Stand nebenan finden wir den „Deichgraf“, der in der Ostenfelder Meierei hergestellt wird. Er erinnert mit seiner cremig-festen Konsistenz an Bergkäse und ist herrlich vollmundig, aromatisch und würzig. „Es ist noch relativ neu, dass es Käse dieser Qualität aus Deutschland gibt. Früher gab es nur kurz gereifte, billigere Sorten. Irgendwann hat man aber auch hier erkannt, dass sich Handwerk und Geduld lohnen und so konnte eine viel größere Vielfalt als früher entstehen“, erklärt Thomas Sampl.
Nach den weiteren Stationen (Gemüse und Salat aus den Vierlanden, Kartoffeln aus der Heide und Poularden vom Metzger) folgt eine kleine aber nicht weniger spannende Stadtführung mit den City Slickers. Sie endet im Koch Kontor, wo sich direkt der Kochkurs anschließt. Er ist eher eine unterhaltsame Runde, bei der mehr der gemeinsame Spaß am Kochen als konkrete Anleitungen im Mittelpunkt stehen. Trotzdem nimmt man viel davon mit: das beste Garverfahren für Rote Beete (im Ofen auf Salz), den perfekten Spätzleteig und das Rezept für knusprige Brathähchen.
Ergebnis der vergangenen vier Stunden: viele spannende Informationen über den Wochenmarkt und seine Produkte, Hamburgs Geschichte und ein verdammt leckeres Mittagessen. Und weil es jetzt erst 14 Uhr ist, hat man trotzdem noch fast den ganzen Tag vor sich. Perfekt also auch für Besucher von weiter weg.
Weitere Infos zu Thomas Sampl und seinen Touren:
www.wochenmarkttouren.de, www.thomas-sampl.de