Neulich in einem Hamburger 2 Sterne-Restaurant. Wir entscheiden uns - wie auch sonst in einem Restaurant dieser Güte - für das ganze Tamtam: Sechs Gänge plus vier Amouse bouche vorweg, einem Sorbet als Erfrischung, einem Pre-Dessert und Petit Fours. Für 210 Euro. Zum Sparen sind wir also nicht hergekommen, sondern zum Genießen. Alles andere wäre auch Quatsch.
Eines lassen wir jedoch aus: die Weinbegleitung für 118 Euro, die für fast jeden der Gänge einen neuen, korrespondierenden Wein bietet. Da ist man pro Person schnell bei der Menge von einer ganzen Flasche Wein. Die trinkt man durchaus auch mal alleine und manche schaffen das auch zum Essen. Wir allerdings hätten danach mehr als Schlagseite. Und das wäre doch schade bei dem spannenden Menü (und seinem Preis). Wir lassen die Weinreise also aus. Um es deutlich zu sagen: Weil wir nicht so viel Alkohol trinken wollen. Nicht aus Sparsamkeit.
Stattdessen wähle ich drei einzelne Gläser Wein, meine Begleitung bleibt (wie immer) ganz abstinent. Als Aperitif trinken wir einen alkoholfreien „Apfelsecco“ und behalten die Flasche am Tisch. Ihr Inhalt besteht aus zwei Zutaten: Apfelsaft und Kohlensäure. Sonst nichts. Außerdem trinken wir noch zwei Flaschen „San Pellegrino“, also das Wasser, was es auch bei jedem Durchschnittsitaliener gibt.
Was haben wir an diesem Abend wohl für unsere Getränke bezahlt?
Es sind 127 Euro. Die Weine haben 25, 22 und 17 Euro gekostet, das Wasser je Flasche 11,50 Euro. Und der Apfelsaft mit etwas Kohlensäure sagenhafte 40 Euro pro 0,75L-Flasche. Wir fühlen uns ob dieser Preise am Ende ziemlich überrumpelt.
Wie konnte das passieren? Es ist ganz einfach: Wir haben uns bei Aperitif und Wein ganz auf die Empfehlung des Sommelier verlassen und nicht in eine Karte geguckt, in der wir die Preise hätten sehen können. Und: wir haben nicht danach gefragt – und der Kellner hat nichts gesagt. Warum haben wir nicht gefragt? Es liegt wohl an der inneren Einstellung. Wer will schon an so einem Abend in dieser Atmoshphäre verschämt fragen „äääh und was kostet das dann bitte?“ Wirkt das nicht schnell knauserig?
Um es ganz klar zu sagen: in der Gastronomie darf und muss mit Getränken Geld verdient werden. Die Preise für Waren, Energie, Personal und alle weiteren Unkosten sind allein mit den Preisen für die Gerichte niemals zu erwirtschaften. Es ist also legitim, wenn Getränke viel teurer sind als im Supermarkt. Aber so viel teurer? Sind 40 Euro für einen besseren Apfelsaft und mehr als 11 Euro für ein Wasser fair? Beim Wein ist die Frage schon schwerer zu beantworten, hier gibt es nun mal eine enorme Qualitäts- und Preisspanne. Das ändert nur nichts an der misslichen Situation in diesem Moment.
Ich habe also einen befreundeten Gastronomen gefragt, wie man damit umgehen solle. Seine Antwort war klar: die innere Haltung ändern, dazu stehen, dass man nicht bereit ist, jeden Preis zu zahlen und einfach danach fragen. Und um ein anderes Getränk bitten, wenn einem das eine zu teuer ist. So werde ich es künftig machen. Für die Frage nach einem Preis muss man sich nicht schämen und es ist auch nicht geizig, das zu tun. Doch auch die Kellner könnten es anders machen: was spricht dagegen, den Preis immer gleich mit zu nennen? Das würde dem Gast die unangenehme Situation des Nachfragens ersparen, und der Service würde einem reinen Wein einschenken. Auch auf der Rechnung.
Dieser Text ist zuerst in der April-Ausgabe der Szene Hamburg erschienen. Die aktuelle Ausgabe kann man hier bestellen.