Das Kochbuch
Es läuft für Christian Bau. Höchstwertungen in allen relevanten Führern hat er schon lange, nun wurde er auch noch als Koch des Jahres vom Gault Millau ausgezeichnet, im Oktober bekam er obendrauf noch das Bundesverdienstkreuz für seine Verdienste um die Kulinarik. Und nun kommt auch noch dieses Kochbuch dazu, bei dem man eigentlich gar nicht weiß, wo man mit den Superlativen beginnen soll. Aber der Reihe nach.
Das Thema
„Do things with passsion or not at all“ - frei übersetzt „ganz oder gar nicht“ - ist das Motto von Christian Bau. Klingt ziemlich sperrig, trifft seine Einstellung aber gut. Mit ihr hat er es geschafft, eine Handschrift zu entwickeln, die stilprägend ist: Es ist die Verbindung von klassisch französischer Basis mit den Aromen und Produkten Asiens, insbesondere Japans. Und es ist wie mit so vielen Originalen: oft nachgeahmt und kopiert – aber unereicht. Das liegt einerseits an seinem herausragenden Handwerk, an seinem unbändigen Ehrgeiz, der Detailversessenheit und ganz sicher auch an dem Aufwand, der mit dieser Küche verbunden ist. Und dieses Buch ist eine Werkschau mit einem einmaligen Einblick in dieses Spitzenniveau. Qualitativ wie quantitativ. Denn:
Der Inhalt
Das Buch enthält sieben Menüs mit je acht Gängen. Bedenkt man, dass diese wiederum aus bis zu 10 Komponenten bestehen, landet man schnell bei über 500 (!) Einzel-Rezepturen. Ein Wahnsinn. Hinzukommen sechs kleine Reportagen u.a. aus Paris, Tokio und aus der Küche von Baus Restaurant „Victor´s Fine Dining“.
Die Rezepte
Die Rezepte sind 100% Christian Bau. Nicht irgendwelche Trends oder austauschbare „Sterne“-Klassiker sondern in jedem Gericht seine Ideen, seine Handschrift, seine Umsetzung. Beispiele sind der grüne Spargel „Monsieur Robert Blanc“ mit Miso-Hollandaise, der „japanische Stein- und Gemüsegarten“ mit diversen rohen und gepickelten Gemüsen, das Schulterscherzel mit Mais-Strukturen, der „Ring of desire“ mit Pistaziencreme und Himbeersorbet, die Kokos-Yuzu-Eiscreme mit „Multivitamin-Früchten“ oder natürlich der namensgebende „Bau.Stein“ (s.u.).
Bei all diesen Gerichten geht Bau mit der beschriebenen Akribie und äußert präzisen Angaben vor: Ein Fisch wird etwa exakt acht Minuten gebeizt, danach eine Minute geräuchert. Häufig geht es um halbe Grammzahlen und es ist nur logisch, dass es auch bei den Temperaturen keine Toleranz gibt.
Das beste Rezept
Hier kann man keine andere Wahl treffen als den Bau.Stein. Baus Dessertklassiker, in dieser Variante mit Tonkabohnencreme, Birnengel und buttrigem Rotweineis.
Ein Detail am Rande
Eines ist uns jedoch aufgefallen. Viele der Rezepte und ihrer Komponenten kommen nicht ohne künstliche Bestandteile wie Texturgeber oder Lebensmittelfarbe aus. Da ist zum Beispiel der Verweis auf Fertigprodukte wie den „Pfirsichlikör“ von Monin (ist hier nicht eher Sirup gemeint?) Schlägt man den jedoch im Internet nach, findet man darin künstliche Aromen und Farbstoff. Oder „Yopol“: Ein Joghurtpulver aus der Texturas-Linie von Ferran Adria, das auch aus gehärtetem Kokosfett und Aroma besteht. In der Zutat „Superneutrose“: drei E-Nummern. Die Blutorangen-Perlen in einem der Desserts: mit roter Lebensmittelfarbe gefärbt.
Das verwundert. Denn mit den Produkten, die Bau zum Teil einsetzt, gelangen künstliche Aromen und Zusatzstoffe quasi durch die Hintertür in ein 3-Sterne-Restaurant, wo man sie eigentlich nicht erwarten würde. Zumal sich dessen Spitzenkoch im „Alltag“ sicherlich gegen solche Produkte aussprechen würde. Müsste man bei dem Qualitätsanspruch von Christian Bau nicht darauf vertrauen können, dass die Grundprodukte, die er verwendet, genug eigenen Geschmack, Konsistenz und Farbe mitbringen?
Klar, von diesen Mitteln wird keiner krank. Und Christian Bau ist auch mitnichten der einzige (Spitzen-)koch, der sie einsetzt. Es geht aber um die Frage, wie naturbelassen eine Küche auf diesem Niveau sein kann oder sollte. Es muss also jeder für sich selbst beantworten, wie tolerant er gegenüber solchen Hilfsmitteln ist. Mengenmäßig ist der Einsatz ohnehin sehr gering. Aber man staunt über die Regelmäßigkeit, in der diese Produkte in den Gerichten verarbeitet werden. Wäre Baus Küche ohne diese künstlichen Zusätze so viel schlechter? Sicherlich nicht.
Der Autor
Christian Bau hat in den 90iger Jahren unter Harald Wohlfahrt gearbeitet und ist nun seit 20 Jahren Küchenchef auf Schloss Berg in Perl-Nennig im Saarland, wo er das „Victor´s Fine Dining by Christian Bau“ (3 Sterne im Guide Michelin) führt. Glaubt man dem Vorwort, hat in den zwanzig Jahren, die Bau nun dort kocht, noch nie ein Hauptgang seine Küche verlassen, den er nicht zuvor gesehen hätte. Das muss man sich mal vorstellen.
Der Schwierigkeitsgrad und die Zielgruppe
Viel anspruchsvoller geht es kaum. Auch wenn einzelne Komponenten der Rezepte für sich genommen einfach sind, gibt es doch genug andere Bestandteile, deren Zubereitung bis zu mehreren Tagen dauert. Von der ganzen Technik und dem Knowhow ganz zu schweigen. Das heißt aber keineswegs, dass die Gerichte nicht nachkochbar wären. In Summe ist dies ein Buch für Profis und die Spitze der Hobbyköche. Also für diejenigen, die sich selbst herausfordern möchten und sich mit diesem Küchenniveau nicht als Gast auseinandersetzen möchten. Und da die Rezepte, wie beschrieben, aus vielen einzelnen Komponenten bestehen, kann man sich für den Beginn auch gut einzelne von ihnen herausgreifen. ABER: Auch alle anderen Köche können trotzdem großen Spaß mit diesem Buch haben, denn allein das Lesen der Rezepte ist faszinierend.
Das Neue
...ist der einzigartige und umfangreiche Einblick in das Reich eines der besten Köche der Welt.
Die Optik
Auch hier gibt´s Bestnoten. Das Buch ist hervorragend klar strukturiert: Zu jedem Rezept gibt es ein ganzseitiges, eher „cleanes“ Bild (Fotografie: Lukas Kirchgasser), danach die einzelnen Bestandteile mit Rezept. Die wichtigsten Komponenten des Gerichtes werden zusätzlich noch einzeln abgebildet. Zu ausgewählten Gerichten gibt es noch eine spannend zu lesende Beschreibung.
Die Zutaten
Logisch, dass bei den Grundprodukten nur die Qualität 1+++ zählt. Alles, was kein Fleisch, Fisch oder Gemüse ist, bekommt man nur bei Spezialisten wie Bosfood im Netz.
Das Fazit
Ein Buch der Superlative, dass sich nun an die Spitze unserer ewigen Kochbuch-Rangliste setzt.