Der Deutsche Kochbuchpreis 2024: Publikumspreis
Kochbuch-Rezension
von (23. Oktober 2024)

Küchenhandbuch Huhn

Raffinierte Rezepte, Warenkunde und Anleitungen. Vom ollen Suppenhuhn zum luxuriösen Festtagsgeflügel

8,1 / 10

Das Kochbuch

Mit Hühnchen- und Hähnchen-Fleisch ist es so eine Sache. Nicht nur, dass von ihm im Gegensatz zu dem von Rind und Schwein immer in der verniedlichten „chen“-Form gesprochen wird. Sondern vor allem, weil es in Massen produziert wird, die für niemanden gut sind. Weder für den Planeten noch für die Tiere. Oft ist Geflügelfleisch reines „Material“, das durch starke Gewürze und Saucen überdeckt wird, sodass am Ende nur die Konsistenz als kulinarische Erfahrung übrigbleibt.

Dieses ambitionierte Buch möchte dem entgegenwirken. Es sensibilisiert für einen bewussten Umgang mit den Tieren und ihrem Fleisch und zeigt mit hervorragenden Rezepten, wie man es würdig verarbeitet.

Der Inhalt

Das Buch besteht zu etwas mehr als einem Drittel aus Theorie und zu etwas weniger als zwei Dritteln aus Rezepten. Der Schwerpunkt ist also gesetzt: Eher wenig Hintergründe, mehr Fokus auf die Küche.

Im Abschnitt „Warenkunde“ geht es um die „Nose to tail“-Verarbeitung, Hinweise rund um den Einkauf und Hinweise zur Küchen-Hygiene.

In der „Küchenpraxis“ liest man über Werkzeuge, verschiedene Arten der (Fein-)Zerlegung (30 Seiten!), richtiges verpacken und lagern, Gartechniken, Garpunkte, Ruhe nach dem Garen, das Tranchieren und Präsentieren.

Vermissen kann man hier eine klare (tabellarische) Übersicht über Haltungsformen und die verschiedenen Anforderungen der (Bio-)verbände. Ebenso ein Überblick über Marktdaten der EU und international.

Auch dass 97% der Geflügelhaltung (denn laut Buch kommen nur 3% des Hühnerfleischmarktes aus Bio- und Freilandhaltung) praktisch nicht vorkommen, ist bedauerlich, wird jedoch hinten im Buch erklärt: Entsprechende konventionelle Betriebe hätten ablehnende Reaktionen der Menschen gefürchtet, für die sie produzieren. Eine Leerstelle bleibt dies dennoch. Die Reportagen über drei Bio-Betriebe sind lesenswert, aber knapp. 

Ein ganzes Kapitel über die Verbindung von Huhn und Mensch, Rassen und Hybridhühner hat es offenbar leider nicht ins Buch geschafft. Es ist jedoch immerhin per QR-Code als PDF abrufbar.

Bei aller Kritik sollte man jedoch fairerweise bedenken, dass es sich ausdrücklich um ein „Küchenhandbuch“ handelt. Der Titel wird insofern durchaus eingelöst.

Die Rezepte

Die sehr überzeugenden Rezepte sind zum Teil Klassiker, hier und da clevere Abwandlungen von anderen Fleischarten (z. B. Porchetta), international geprägt, dabei oft asiatisch und greifen auch aktuelle Trends auf (Beispiel Smash-Burger).

Dies sind die vier Kapitel: Auftakt mit Huhn (Suppen, Vorspeisen, kleine Gerichte), Feierabendküche mit Huhn (schnelle Gerichte, kalte Happen), Hauptgerichte mit Huhn (gekocht und gedämpft, konfiert, geschmort, aus dem Ofen, gebraten und frittiert), Huhn vom Grill (Yakitori).

Einige Beispiele daraus: Hühnerkraftbrühe, Shio-Ramen mit Miso-Huhn, Kroketten vom Suppenhuhn, Karaage, Ravioli von der gekochten Keule, One Pot Chicken mit Fregola Sarda, Rouladen à la Creme, Mägen mit Remoulade und Röstkartoffeln, Coq au vin mit geschmorten Schalotten, Chicken Pies, Fried Chicken, Knoblauch-Zitronen-Huhn mit Couscous.

Der Schwierigkeitsgrad

…variiert zwischen einfach und anspruchsvoll bzw. langwierig. Das hängt jedoch wesentlich davon ab, ob man das Huhn oder seine Teile selbst auslöst oder bereits fertig vorbereitet kauft. Das eigentliche Kochen gestaltet sich in den allermeisten Rezepten unkompliziert.

Die Zielgruppe

Ein Kochbuch für alle, die sich vertieft mit dem Thema Geflügel auseinandersetzen möchten und sich auch handwerklich noch etwas draufschaffen möchten. Es ist daher auch besonders gut für alle geeignet, die auf dem Weg zum Profi sind.

Die Zutaten

Dazu, wo und welches Huhn man kaufen sollte, müssen wir an dieser Stelle hoffentlich nicht viel sagen. Bio- und Freilandhaltung sind eindeutig Trumpf. Alles weitere findet man in guten (Bio)Supermärkten.

Die Autoren

Ingmar Jaschok-Hops ist gelernter Landwirt und arbeitet als Experte für regionale Bio-Wertschöpfungsketten in Norddeutschland.

Sebastian Junge betreibt in Hamburg das Bio-Restaurant „Wolfs Junge“, das unter anderem mit dem grünen Michelin-Stern ausgezeichnet wurde.

Vincent Fricke ist Koch und Geschäftsführer der HolisticFood GmbH, einem Catering- und Consultingunternehmen mit Schwerpunkt auf gesunder und ganzheitlicher Ernährung.

Die Optik

…überzeugt uns. Sie ist in der Gestaltung zwar recht sachlich gehalten, besonders positiv fällt jedoch die Foodfotografie von Vivi D´Angelo auf. Sie ist hell, klar, freundlich und ästhetisch, aber niemals ungekünstelt. Auch die vielen Bilder zur Küchenpraxis und aus den drei vorgestellten Betrieben sind sehr schön anzusehen. Von letzteren hätte das Buch durchaus noch mehr vertragen können. Etwa das wundervolle Bild der farblich sortieren Eier.

Das sehr gelungene Styling stammt von Josh Flatow.

Das Fazit

Dieses Buch setzt sich an die Spitze der Kochbücher über Huhn und überzeugt fachlich wie kulinarisch. Für kommende Bücher lässt es beim theoretischen Teil jedoch noch etwas Luft.

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geschrieben von:
Benjamin Cordes
Benjamin Cordes ist Autor und Experte für Kulinarik. Seine Filme sind im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sehen, seine Texte u.a. im Magazin Falstaff zu lesen. Er ist Gründer von Kaisergranat.com und Initiator des Deutschen Kochbuchpreises.

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