Das Kochbuch
Eine Kiste voll frischem Gemüse, ein junger Koch, dazu der Titel „Hofküche“ – dieses Kochbuch ist auf den ersten Blick wie gemacht für Vorurteile: „kitschig und unauthentisch!“. Doch das Gegenteil ist der Fall. Das Kochbuch des in der Gastronomie zurzeit vielbeachteten Kochs Marianus von Hörsten hält viel mehr, als die Kochbücher vieler seiner prominenteren Kollegen versprechen. Die sich gerne vor romantischer Land-Kulisse ablichten lassen, ohne einen echten Bezug zu ihr zu haben. Denn an diesem Kochbuch stimmt alles. Auch die hervorragenden Rezepte.
Der Koch und seine Geschichte
Marianus von Hörsten stammt vom Hof Wörme, einem Demeter-Bauernhof in der Nordheide. Durch das Leben auf dem Hof ist er mit sehr engem Bezug zur Landwirtschaft und der Lebensmittel-Erzeugung aufgewachsen. Seine Wanderjahre als Koch führten ihn später unter anderem nach Berlin zu Tim Raue. Doch nicht nur Stationen wie diese ließen seine Kollegen aufhorchen: Es sind auch die gewonnenen Wettkämpfe, etwa der Sieg beim Next Chef Award 2018, der ihm als Preis dieses Kochbuch ermöglichte. Seit Sommer 2019 betreibt Marianus mit einem jungen Team das Hamburger Restaurant „Klinker“.
Die Rezepte
Es ist nicht zu übersehen: Marianus von Hörsten hat eine klar erkennbare eigene Handschrift entwickelt. Im Vordergrund steht der „reine“ Geschmack. Die Gerichte sind mehrheitlich wohltend süffig und herzhaft, „Soulfood“ könnte man es auch nennen. Alle Produkte bleiben naturbelassen, werden nicht mit überbordender Technik verfremdet, auf dem Teller finden sich stets nur wenige Elemente. Marianus setzt gerne deutliche Süße gegen Salzigkeit, spielt mit Säure, knusprigen Elementen (Nüssen oder Gemüsechips) und vielen Kräutern, hier und da finden sich asiatische Aromen.
Die Kapitel und einige Beispiele daraus:
- Von der Weide (Schwein, Rind, Lamm, Huhn und Ente): saftig geschmorte Lammrippe mit Cola, Reisessig und Sojasauce
- Von der Jagd und aus dem Wald (Reh, Wildschwein, Wildente und Pilze): Rehrücken, Spätzle und Quitte; Steinpilze, Fregola Sarda, Parmesan; Gebratene Pilze auf Kürbispüree und Ziegenkäse
- Aus See, Fluss und Meer (Fisch, Jakobsmuschel, Garnele und Calamari): Felchen mit Dill-Hollandaise; Backfisch mit Malz-Majonaise und eingelegten Gurken
- Vom Feld (Gemüse von Artischocke bis Zwiebel): Blumenkohl mit Ei und Trüffel (ein Klassiker im Restaurant Klinker), Topinamburpüree mit Ziegenkäse und Sonnenblumenkernen
- Aus dem Obstgarten (Obst von Apfel bis Zwetschge): Apfel-Beignets mit Holunderblüteneis, Brownies mit Beeren und Vanillequark; Zwetschgenröster, Mohnmousse, Zimtstreusel.
Die Texte
Doch da ist noch etwas, das dieses Kochbuch besonders macht – besonders persönlich. Es sind die Texte, deren Formulierung Marianus vertrauensvoll in die Hände seiner Restaurantleiterin Claudia Steinbauer gelegt hat. Sie hat viele Stunden mit dem Koch auf Hof Wörme verbracht, um seine Geschichte zu Papier zu bringen. Ergebnis sind sehr persönliche und greifbare Schilderungen von vor Ort, Marianus´ Leben auf dem Hof und vor allem seine Sicht auf Landwirtschaft, Ernährung und Nachhaltigkeit. Erfrischend unorthodox geschrieben und sehr lesenswert.
Der Schwierigkeitsgrad
Marianus lässt es entspannt angehen. Weder braucht man zum Nachkochen eine besondere Ausstattung noch das Niveau eines Spitzenkochs. Was aber nicht heißt, dass die Rezepte banal wären!
Die Optik
Großes Kompliment an Fotografin Julia Hoersch, die den Purismus der Rezepte sehr ästhetisch auf überwiegend dunklem Untergrund in Szene gesetzt hat. Das tolle Foodstyling kommt vom Koch persönlich.
Die Zutaten
Will man diesem Kochbuch gerecht werden, kauft man die Zutaten dort, wo sie entstehen – direkt bei den Produzenten. Das ist nicht nur gut für jene sondern auch im Sinne der Qualität.
Das Fazit
Ein hervorragendes Kochbuch und möglicherweise nur der Anfang von dem, was man von Marianus von Hörsten noch hören wird.