Kochbuch-Rezension

Heimat weite Welt

8,6 / 10

Das Kochbuch

Regionale Küche? Kennt man schon. Heimat-Küche? Auch schon. Aber die Verbindung von Heimat und „weiter Welt“? Gab es so bislang noch nicht. Und Sternekoch Benjamin Maerz hat nun ein Kochbuch geschrieben, das maximale Kontraste aus Tradition und Nähe und Exotik und Ferne zusammenbringt. Ein beeindruckendes Kochbuch.

Maerz´ steiniger Weg zum Michelin-Stern

Benjamin Maerz wurde 1988 in Ludwigsburg geboren. Und wollte eigentlich gar nicht Koch werden. Ehrlich, offen und angenehm nüchtern beschreibt er, wie ihn die körperliche Anstrengung abschreckte, die er bei seinen Eltern beobachten konnte. Lieber wollte er Archäologie und Paläontologie studieren. Weil die Eltern gesundheitlich eingeschränkt waren, entschloss er sich aber dennoch für eine Ausbildung im eigenen Betrieb. Doch sein Unwille machte sich auch in der Lehre bemerkbar. „Ich könnte mich für mein damaliges Verhalten ohrfeigen“, schreibt er heute.
Nach der Ausbildung startete er ein Studium in „Food Management“ um danach in Management und Marketing zu arbeiten. Doch dann stirbt sein Vater und die Familie steht vor einem Scherbenhaufen, der Betrieb wird geschlossen. Aber einfach den Vater ersetzen – das konnte und wollte er zunächst. Also mussten andere Küchenchefs den Laden schmeißen. Das klappte allerdings nicht. Also die Entscheidung, es selbst zu machen. Doch dann das: alle Beteiligten samt Vermieter und Steuerberater lehnen seinen Plan ab, trauen es ihm nicht zu, glauben nicht an seine Ideen. Maerz schwört sich, sie vom Gegenteil zu überzeugen.
Und heute? Führt er den Betrieb in Bietigheim-Bissingen zusammen mit seinem Bruder und seiner Frau, wurde bereits 2013 mit 25 Jahren mit einem Stern ausgezeichnet und schreibt nun dieses tolle Kochbuch.

Die Rezepte

Heimat ist für Benjamin Maerz mehr als nur die geografische Lage: Es ist das Gefühl und die Geborgenheit, zuhause sein. Und die Identifikation mit der Region und ihren Produkten. Und so ist Maerz´ Küchenstil eine oft ziemlich spektakuläre Verbindung von typischen Lebensmitteln seiner Heimat und Produkten und Aromen aus aller Welt. Diese Verbindung zieht sich durch das Kochbuch wie ein roter Faden, sodass der Titel des Buches und das Motto seiner Küche bei jedem Gericht eingelöst werden. Zum Beweis die Kapitel und ein paar Beispiele:

  • Stall und Hof: Kalbsbries mit Alblinsen und Sellerie Beurre-blanc, Schweinskopf mit Saubohnen und Morcheln, Gaisburger Marsch mit Büffelzunge, Ochsenmaul mit schwäbischem Cider
  • Garten und Beet: Karottensorbet mit Karottentatar und Dillgranité, weißer Spargel mit Bärlauch und Löwenzahn, gegrillte Aprikosen mit Kapuzinerkresseblüten, Erdbeeren mit Nussbuttereis und Sauerklee
  • Wiese und Feld: Sonnenblumen-Müsliriegel mit Schafsjoghurt, rote Beete mit Ziegenquark, Saure Rädle mit schwäbischem Ponzu
  • Fluss und See: Donaulachs (Huchen) mit Wassermelone, Bodensee-Aal mit Karotten, Weizen und Malz
  • Weinberg und Terroir: Weinbergschnecken mit Kräutern aus dem Weinberg, in Weintrester gereifter Kuhmilchkäse mit alten Apfelsorten, Weinbergpfirsicht mit Käsekuchencreme und Zitronenverbene
  • Weite Welt: Rosa Schokolade mit Rhabarber, Rose und Litschi; Schokolade mit Fenchel, Yuzu und Pastinake

Unterbrochen werden die Rezepte von interessanten Produzentenportraits, Warenkunden und Texten über die Arbeit des Sternekochs und seine Inspirationsquellen.

Die Zielgruppe

Dies ist kein Kochbuch für Hobbyköche, sondern für Profis und die wenigen, die zuhause so gut kochen, dass sie auch zahlende Gäste empfangen könnten. Sofern sie denn auch technisch für diese Rezepte ausgerüstet sind.

Die Optik

Klares Layout, ganz- manchmal auch doppelseitige Fotografie. Eindrucksvoll.

Die Zutaten

Man muss es realistisch betrachten. Viele der Zutaten sind z. T. so speziell, dass man sie nur bei absoluten Experten (online und offline) bekommt. Mit einem Gang zum Supermarkt ist es da längst nicht getan.

Das Fazit

Ein eindrucksvolle Kochbuch mit einer unverkennbar individuellen und eigenständigen Handschrift.

Veröffentlicht am 01. Dezember 2019, überarbeitet am 01. Dezember 2019.
Bild
geschrieben von:
Benjamin Cordes
Benjamin Cordes ist Journalist und beschäftigt sich beruflich ausschließlich mit kulinarischen Themen. Als Autor recherchiert er Beiträge über die Qualität von Lebensmitteln und Restaurants für das NDR Fernsehen.

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Heimat weite Welt

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8,6 / 10
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69,90 €
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Verlag: DK Verlag Dorling Kindersley
Erschienen: 26. November 2019
69,90 €