Kochbuch-Rezension

Sterneküche kann jeder!

Exzellent Kochen ohne Schnickschnack

7,3 / 10

Das Kochbuch

Benedikt Faust ist in seinem Kochbuch von Anfang an ehrlich; Er beschreibt sich als eher faulen Menschen, der auf möglichst einfachem Weg maximalen Geschmack erreichen will. Auch seinen LeserInnen möchte er zeigen, wie sie sich ohne große Aufwand die „Welt des besonderen Geschmacks“ erschließen und „ohne Schnickschnack“ exzellent kochen können. Doch über den Weg, den Faust zum Erreichen dieses Ziels beschreibt, kann man trefflich diskutieren. Wir eröffnen mal die Debatte.

Der Inhalt

Das Buch besteht zu einem Drittel (50 Seiten) aus Theorie und zwei Dritteln Praxis. Und es geht richtig gut los. Wohltuend locker, unterhaltsam und selbstironisch schreibt der Sternekoch in seiner Biografie zunächst davon, wie er es „vom kleinen Fisch im großen Meer“ über die euphorisierende Begegnung mit Spitzenkoch Juan Amador bis zum Sternekoch brachte: Mit 29 Jahren erkochte er im Restaurant „L´étable“ einen Michelin-Stern und wurde Entdeckung des Jahres in der FAZ. Zuletzt war Faust bis zu seiner Selbständigkeit Küchenchef im Restaurant Kuno 1408 im Würzburger Hotel Rebstock.

Danach folgt eine Anleitung mit vielen anschaulichen Beispielen, wie man seine Sinne und das geschmackliche Vorstellungsvermögen schärfen und verbessern kann. Die Warenkunden zu Gewürzen, Kräuter, Fisch und Fleisch liest man woanders tiefgründiger und besser. Soweit so gut. Doch dann…

Von Fertigprodukten und Tellerakrobatik

…liest man weiter und wundert sich. Denn was Faust hier unter „exzellent kochen ohne Schnickschnack“ versteht, ist leider doch genau das.

Da ist zum einen die Sache mit der Deko. „Deko geht immer“, schreibt er und leitet dazu an, wie man mit aufwändiger, verspielter Deko bei seinen Gästen Eindruck schinden können soll. Mit „Straßen“, „Äckern“ und „Tupfern“ auf dem Teller. Ist das nicht ein längst überkommender Trend dessen Aufrechterhaltung durch bestehende Vorurteile gegenüber der Sterneküche nur weiter am Leben gehalten wird? Soll man wirklich mit auffälliger Deko vom Geschmack ablenken?

Doch das ist ja nur die Optik. Aber auch bei den Zutaten erschrickt man. Klar, die Grenzen zwischen „gut“ und „böse“ sind bei Fertigprodukten fließend und so ist es natürlich vollkommen klar, dass man Dinge wie Nudeln, Sojasaucen etc. fertig kaufen darf, ja sogar muss. Aber Eiersalat? Instantkartoffelpüree? Puh. Und spätestens beim Babybrei „Karotten mit Mais und Biokalb“, der bei einem der Amuse-Gueules zum Einsatz kommt, fragt man sich, ob es sich bei dem Buch um einen Scherzartikel handelt und Benedikt Faust sich heimlich in selbige Lacht bei der Vorstellung, wie „da draußen“ Leute in seinem Buch blättern und „ah!“ und „oh!“ sagen? Das ist also die „Welt des besonderen Geschmacks“, von der er schreibt? Noch ein weiteres Beispiel: Vorne im Buch schreibt Faust extra, er wolle ein Buch schreiben, für das nur Lebensmittel und Techniken verwendet werden, die jeder anwenden und kaufen kann. Doch sein Basisrezept für „Rahmeis“ enthält die Produkte „Procrema 100“, „Glicerina“ und „Dextrosa“. Direkt daneben empfiehlt er „Stab 2000“, „Superneutrose“ und „Procrema 100“ und „Prosorbet 100“. Hier mal stellvertretend ein Auszug aus der Zutatenliste von „Stab 2000“:  Verdickungsmittel: Johannisbrotkernmehl E410, Geliermittel: Natriumalginat E401 und Carrageens E407, Emulgator: Mono- und Diglyceride E471. Ja, wir wissen, dass solche Produkte in der Spitzengastronomie zum Einsatz kommen. Und wie man das bewertet, hängt vom persönlichen Standpunkt ab. Unserer ist jedoch klar: von Sterneküche erwarten wir natürliche Zutaten – keine Zusatzstoffe.

Die Rezepte

Die Rezepte sind durchweg eher experimentell als klassisch, in Teilen kann man sie auch avantgardistisch nennen. Eigene Namen tragen sie nicht, sondern sind nur nach ihren Hauptkomponenten benannt. Die unkonventionellen Aromenkombinationen sind dabei festes Prinzip von Fausts Küchenstil, offen propagiert er das Zusammenführen vermeintlich ungeeigneter Produkte. Die Unterteilung der Gerichte in einzelne Rezepte erfolgt leider sowohl bei den Zutatenlisten als auch den Rezepttexten ohne Beschriftung der einzelnen Komponenten, das schmälert den Erkenntnisgewinn.

Die Zielgruppe

Möchtergern-Sterneköche (nicht böse gemeint!), die zuhause mal so kochen wollen wie die ganz Großen. Aber wollen sie das wirklich so machen, wie man es hier lernt?

Die Optik

Fotografie und Layout sind eher klassisch-clean gehalten. Das passt nicht zum Freak Faust und ist nicht so unkonventionell wie er seinen eigenen Kochstil sieht.

Das Fazit

Um es klar zu sagen: Die Offenheit, mit der Faust hier mit eher fragwürdigen (aber durchaus verbreiteten) Techniken und Zutaten arbeitet, ist gut. Was es aber in unseren Augen nicht besser macht. Ein Buch mit viel Stoff zum Diskutieren und Debattieren.

 

Veröffentlicht am 14. November 2020, überarbeitet am 14. November 2020.
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geschrieben von:
Benjamin Cordes
Benjamin Cordes ist Journalist und beschäftigt sich beruflich ausschließlich mit kulinarischen Themen. Als Autor recherchiert er Beiträge über die Qualität von Lebensmitteln und Restaurants für das NDR Fernsehen.

Kochbücher von Benedikt Faust

Sterneküche kann jeder!

Sterneküche kann jeder!

7,3 / 10
Kochbuch von
22,00 €
Benedikt Faust ist in seinem Kochbuch von Anfang an ehrlich; Er beschreibt sich als eher faulen Menschen, der auf möglichst einfachem Weg maximalen Geschmack erreichen will. Auch seinen LeserInnen möchte er zeigen, wie sie sich ohne große Aufwand die „Welt des besonderen Geschmacks“ erschließen und…weiterlesen