Das Kochbuch
Dies ist jetzt endlich mal wieder endlich einer dieser seltenen Momente. Man hält ein neues Kochbuch in der Hand und hat ein Aha-Erlebnis. Und zwar ein großes. Denn dieses Buch bringt wie ein Prototyp alles mit, was ein gutes Kochbuch ausmacht. Da wäre zunächst ein neues Thema, dann eine konsequente Umsetzung mit inhaltlicher Tiefe und eine optische Umsetzung, die keine Wünsche offen lässt.
Das Thema
Algen und Küstengemüse wird gerade eine große Aufmerksamkeit zu teil. Das hat unterschiedliche Gründe: sie sind sehr gesund (weil mineralstoffreich), sind spannend für Veganer und Vegetarier, lassen sich überwiegend gut kultivieren und bringen auch noch eine schier unendliche geschmackliche und optische Vielfalt mit. Manche schmecken nach Meer, manche nach Fisch, andere nach Krustieren, einige nach Gemüse, viele salzig, einige sogar süß. Dazu kommen noch weitere Eigenschaften wie das natürlicherweise enthaltene Glutamat oder gelierende Eigenschaften, die man sich bei Produkten wie Carrageen und Agar Agar zunutze macht.
Der Autor
Hört, hört: ausgerechnet zwei Köche aus München schreiben ein Buch über ein Meeresthema. Doch der Qualität des Buches hat dies nicht im geringsten geschadet. Wer die beiden sind, hat der Verlag gut auf den Punkt gebracht:
Otto Koch ging nach seiner Ausbildung in München für einige Jahre auf Wanderschaft durch diverse Spitzenhäuser in der Schweiz und in Frankreich. 1974 eröffnete er in München sein eigenes Restaurant „Le Gourmet“, das zwei Jahre später einen Stern erhielt. Zusammen mit Eckart Witzigmann zählt er zu den Wegbereitern der ambitionierten Sternegastronomie in Deutschland. Von 2001 bis 2009 leitete er das „KochArt“ in Zürs am Arlberg. Danach war er bis 2014 Patron des von Arena One betriebenen Restaurants 181 im Olympiaturm in München. Seine Tätigkeiten in der Fernsehsendung ARD-Buffet, für den Robinson Club, sowie für Servicebund und Sodexo beschäftigen ihn heute.
Michael Schubaur, Koch aus Leidenschaft, ist seit 2000 Küchendirektor im Ratskeller am Marienplatz in München, wo er die ganze Bandbreite von der bodenständigen bayerischen Küche bis zum Fine Dining abdeckt. Zuvor hat er nach der Ausbildung verschiedene Positionen in unterschiedlichen Spitzenhäusern besetzt. Neben seiner Leidenschaft für das Kochen interessiert er sich für die Aus- und Fortbildung des Berufsnachwuchses der weißen Brigade. So unterrichtet er in der Berufsschule sowie in der Ecole culinaire und ist Mitglied des IHK Prüfungsausschusses.
Die Zielgruppe
Wenn´s nur um´s Lesen und zuhören geht, ist dieses Buch wirklich für jeden was. So spannend ist dieses Thema. Sobald es an´s kochen geht, trennt sich aber die Spreu vom Weizen, denn z. T. wird es doch recht technisch. Und so haben vor allem die eher ambitionierten der Hobbyköche und natürlich alle Profis viel Spaß an diesem Buch.
Die Rezepte
Die Kreativität und Vielfalt der 80 (!) Rezepte sind atemberaubend. Ein Überblick: Es gibt Rezepte mit Texturgebern aus Algen (z. B. im Mund platzende Pesto-Sphären mit Algin), Klassiker (z. B. Algensalat mit Scampi und Algenspinat mit gebackenem Ei), mediterranes (Gazpacho mit Carabinero und Queller) und kreatives (Weißwurst vom Tintenfisch mit Irisch Moos). Und - besonders überraschend – Zubereitungen, die zunächst gar keinen Bezug zum Meer haben wie die klassisch geschmorte Rindsschulter zu der ein paar Blätter knackige Strandmelde kommen oder das Kotelett vom Mangalitza-Schwein mit Algentatar.
Der Schwierigkeitsgrad
Wie bereits im Abschnitt zur Zielgruppe geschrieben: wir schwingen uns hier in höhere Sphären hinauf. Wer es einfach mag, bleibt hier bald auf der Strecke.
Das beste Rezept
Frische, fruchtig-pikante Gazpacho, gebratene Carabinero-Garnelen, dazu knackig-frischer Queller. Das perfekte Sommerrezept! Die Wahrheit aber ist, dass sich hier alle Rezepte auf einem gleichen Niveau bewegen: auf einem sehr hohen.
Das Neue
Endlich ist dieses Feld bestellt! Es ist ein großer Verdienst der Autoren und des Verlags, dass sie sich diesem Trend mit dieser Ernsthaftigkeit und Tiefe gewidmet haben.
Die Optik
Klare Bildsprache, meist auf weißem Untergrund, gutes Layout, schön übersichtlich. Mustergültig!
Die Struktur
Am Aufbau lässt sich wunderbar beispielhaft zeigen, was für uns ein gutes Kochbuch ausmacht: Eine guten Einführung folgen alle Themenkapitel, die relevant sind, wenn man ein Thema grundlegend darlegen möchte: Anbau und Ernte, Küchenpraxis (frische, gesalzene, pulverisierte Algen, Geliermittel aus Algen etc.), Rezepte und nicht zuletzt eine sehr sehr gute Warenkunde zu Algen und Meeresgemüse. Wenn man das gelesen hat, weiß man alles zum Thema, was man wissen muss. Kann man einem Buch ein größeres Kompliment machen!?
Die Zutaten
...hier wird´s naturgemäß etwas speziell, sofern man nicht direkt hinter´m Deich wohnt und selbst pflücken gehen kann. Gut, dass im Buch auch Bezugsquellen genannt werden. Und ihr lokaler Fischhändler kann ihnen bestimmt auch weiterhelfen.
Das Fazit
Wir sind voll des Lobes. Zu jedem einzelnen unserer Kriterien. Und daher wandert dieses Buch auch schnurstracks in unser virtuelles „Bücherregal“, in das wir unsere Lieblingskochbücher stellen.