Kultivierung wilder Tiere
Von Muschelzucht zu sprechen, ist eigentlich nicht ganz korrekt. Denn die wilden, jungen Muschellarven siedeln sich ganz von alleine in der Anlage an – wenn man ihnen die richtigen Bedingungen bietet. „Alles was bei drei nicht aus dem Wasser ist, wird besiedelt“, sagt Staufenberger scherzhaft. Seine Konstruktion: Von einer Langleine, die von Bojen an der Oberfläche gehalten wird, hängen 2 bis 3 m lange Polypropylenseile in die Tiefe der Kieler Förde hinab. An ihnen setzen sich die winzigen Miesmuschellarven fest und bleiben dort bis zum Schluss. Ihre Nahrung, tierisches und pflanzliches Plankton, filtern sie aus dem Ostseewasser. Bis zur Ernte dauert es drei Jahre. „Im ersten Jahr siedeln sich die Muscheln an, im zweiten werden sie gepflegt und im dritten können wir sie ernten“, erklärt Staufenberger. Bis die Muscheln groß genug dafür sind, haben sie längst selber wieder für Nachwuchs gesorgt. Eine ständige natürliche Erneuerung des Bestandes.
Die Gefahr am Meeresgrund
Die Muschelernte beginnt traditionell im Herbst. Ob die Muscheln an der Leine groß groß genug sind, kann Staufenberger ganz einfach an der Boje erkennen, die an der Oberfläche befestigt ist: sie beginnt abzusinken. Eine Muschel-Leine wiegt dann zwischen 800 und 1000 Kilogramm. Zu schwer dürfen die Leinen nicht werden. Denn wenn sie den Schlick am Meeresgrund berühren, droht Gefahr. „Dann kommen die Seesterne, klettern die Leinen hinauf und fressen die Muscheln weg.“ Dass die Muscheln im freien Wasser hängen anstatt auf dem Grund zu wachsen, hat aber noch einen weiteren Vorteil: sie versanden nicht und müssen daher nicht extra gespült werden.
Die R-Regel
Schon lange vor der Ernte werden jede Woche Proben der Muscheln genommen und amtstierärztlich untersucht, um Schadstoffbelastung und bakterielle Verunreinigungen auszuschließen. „Wir sind immer deutlich unter allen Grenzwerten“, versichert Staufenberger. Sollte es einmal anders sein, würden Ernte und Verkauf sofort gestoppt. Besonders als Überträger von Hepatitis-Viren sind Muscheln gefürchtet. Die Regel, Muscheln nur in den kalten Monaten mit „r“ zu verzehren, ist jedoch schon lange überholt. „Das stammt aus einer Zeit, als die Kühlmöglichkeiten noch nicht so gut waren. Muscheln müssen immer lebend verkauft werden und das geht nur mit strikter Kühlkette“, sagt Staufenberger. Er könnte seine Muscheln auch problemlos im Sommer verkaufen. Doch die Winterzeit ist als Muschelsaison so fest in den Köpfen der Kunden verankert, dass es im Sommer keinen Markt dafür gibt.
Frisch nur zur Muschelsaison
Mit maximal fünf Tonnen Ertrag pro Jahr bedient die Kieler Meeresfarm nur einen Nischenmarkt und ist keine Konkurrenz für Muschelfischer an Nord- und Ostsee. Anders als in der Nordsee, wo es erlaubt ist, Muscheln für den Eigenbedarf privat zu sammeln, ist das in der Ostsee verboten. Wer Ostsee-Miesmuscheln essen will, muss sie also kaufen. Die Muscheln der Kieler Meeresfarm kann man bislang nur in einigen Restaurants in der Umgebung essen und in wenigen Supermärkten in Kiel, Lübeck und Flensburg kaufen. Staufenberger plant jedoch, die Farm zu vergrößern und auch Wochenmärkte zu beschicken. Doch am liebsten transportiert er die Muscheln gar nicht: Den meisten Umsatz macht er in der Direktvermarktung von der Kaimauer aus. Jeden Samstag verkaufen er und seine Mitarbeiter die Miesmuscheln am Kieler Tiessenkai direkt vom Kutter, Luftlinie nur wenige hundert Meter von der Farm entfernt.
Der Verkauf der Meeresfarm läuft noch bis Mitte März, Sa. von 14:00 bis 15:00 Uhr.