Es gibt viele Superlative, die die Franzosen für sich beanspruchen: Die blumigste Sprache, die malerischsten Küsten und Landschaften, die schickste Mode, die lebhafteste Demokratie und seit vergangenem Sommer sind sie die beste Fußballnation der Welt. Westeuropas größtes Land und seine Bewohner sind
zudem kaum für ihre Zurückhaltung bekannt, sondern geben dem Rest der Welt hin und wieder das…mehrEs gibt viele Superlative, die die Franzosen für sich beanspruchen: Die blumigste Sprache, die malerischsten Küsten und Landschaften, die schickste Mode, die lebhafteste Demokratie und seit vergangenem Sommer sind sie die beste Fußballnation der Welt. Westeuropas größtes Land und seine Bewohner sind zudem kaum für ihre Zurückhaltung bekannt, sondern geben dem Rest der Welt hin und wieder das Gefühl, in jeder Hinsicht überlegen zu sein. Das trifft besonders auf die Kulinarik zu: Die französische Küche wähnt sich dank der Anerkennung aus aller Welt seit Jahrhunderten in der Gewissheit, die Kochkunst perfektioniert zu haben. Doch wie im Fußball muss man sportlich fair anerkennen: Dieser Titel geht in Ordnung.
Handwerklich vereint die typisch französische Küche die besten Tugenden ihrer Nachbarn: Deutsche Akribie trifft auf spanische Lockerheit und die Emotionalität Italiens. Für zusätzliche Bereicherungen sorgen die kulturellen Einflüsse, die sich durch Einwanderung in das Land gemischt haben. So hat auch die Gewürzpalette der Maghreb-Staaten mittlerweile einen festen Platz in der Cuisine der Grande Nation. An keinem anderen Ort tritt diese Vielfalt so auffällig zu Tage wie in Paris, wo die Dichte an überragenden Restaurants und Pâtisserien höchstens von der Exorbitanz der Immobilienpreise übertroffen wird.
Die gebürtige Pariser Buchautorin und Food-Bloggerin Clotilde Dusoulier hat sich zum wiederholten Male auf kulinarische Streifzüge durch ihre Heimatstadt begeben und mit „La Cuisine de Paris“ ein Standardwerk über die Vielfältigkeit und Finesse der französischen Hauptstadtküche verfasst. Anders als in ihrem vielbeachteten ersten Buch „Schokolade & Zucchini“, das sich auf extravagante Wildwüchse in der Restaurantszene konzentrierte, sortiert sie in „La Cuisine de Paris“ die typischen Lieblingsgerichte der Pariser nach der Tageszeit ihres Verspeisens ein.
Gleich zu Beginn des Buchs lernt der Leser somit etwas sehr Grundsätzliches über die Essgewohnheiten der Franzosen: Anders als die deutsche sieht die französische Ernährungsphilosophie sechs Mahlzeiten pro Tag vor, allein drei davon am Abend und einige von ihnen mit mehreren Gängen. Eine tagfüllende Nahrungssuche durch die laut Dusoulier (Achtung: Superlativ) „schönste Stadt der Welt“ könnte exemplarisch also folgendermaßen aussehen: Nach einem Schokoladenbrot in der Rue des Martyrs geht es am Mittag mit herzhaften Buchweizen-Crêpes in der bretonischen Gemeinde weiter. Nachmittags legt die Autorin ihren Lesern einen Flan auf Mürbeteig nahe, den viele Hauptstädter als ihren Kindheitsfavoriten bezeichnen. In den Abend kann man mit einer Hähnchenterrine mit Pistazien, gratinierten Muscheln oder gebackenem Camembert starten, bevor man sich zum Abendessen über den Lammrollbraten eines stadtbekannten Metzgers hermachen darf. Spät am Abend, während sich Nachtschwärmer in Deutschland vor Dönerbuden tummeln, zieht der Hauptstadtfranzose ein Tässchen Zwiebelsuppe nach Art der Cité vor.
Erwartungsgemäß sind die Rezepte in „La Cuisine de Paris“ sehr ausführlich, hin und wieder recht komplex und verlangen Hobbyköchen viel Sorgfalt ab. Ein wenig Erfahrung mit Kochmesser, Springform und Eisenpfanne setzt die Französin voraus. In ihren Beschreibungen ist die Autorin ausgesprochen explizit, die Dicke einer Brot- oder Bratenscheibe gibt sie beispielsweise gerne in Zentimetern mit zwei Stellen nach dem Komma an oder präzisiert Mengenangaben sehr exakt. Doch mit etwas Geduld sollte es jedem Leser gelingen, sich anhand des Buchs einen kulinarischen Tag durch die französische Hauptstadt zu gestalten.
Ganz ohne Arroganz oder Kitsch gelingt es Dusoulier quasi nebenbei, die Touristenmetropole Paris durch die Augen einer Einheimischen zu porträtieren. Wer nach einem Nachschlagewerk für französische Klassiker sucht, wird im Übrigen nicht enttäuscht: Von der Quiche Lorraine über Madeleines bis zu Brathähnchen und Schoko-Mousse beinhaltet das Werk viele Rezepte, für die Frankreich bekannt ist.