Von manchen Rezepten braucht man nur den Namen zu hören und schon kommt man ins Träumen: Makkaroni-Auflauf, Dampfnudeln mit Weinsoße, Frankfurter Grüne Soße, Sauerbraten, Streuselkuchen. Meist sind es Erinnerungen an die Kindheit, an besondere Reisen, an Freunde oder an ungewöhnliche Erlebnisse, die für immer mit dem Geruch und Geschmack eines bestimmten Gerichtes verbunden sind. Die Mainzerin Hildegard Bachmann und die Rheingauerin Ulrike Neradt haben 48 Rezepte von beiden Seiten des Rheins und aus der Pfalz gesammelt und erzählen dazu 48 Geschichten. Mit den Rezepten ihrer Sehnsuchts-Küche schreiben die beiden aber auch ein Stück Kulturgeschichte, wenn sie an fast vergessene Köstlichkeiten wie die Königin-Pastete erinnern oder daran, dass viele Lieblingsgerichte Arme-Leuts-Essen waren oder wenn sie den Koteletts von früher nachtrauern.
Rezepte und Kurzgeschichten
Früher war zwar auch nicht alles besser - Heiligabend aber womöglich schon. Wenn sich Tante Ria aus Wiesbaden mal wieder mit ihrem außen hell emaillierten Soßentöpfchen auf den Weg zu den Verwandten gemacht hat, um ihren nach der Ankunft nurmehr kurz zu erhitzenden Beitrag fürs Weihnachtsessen abzuliefern. Die Pastetchen, "auf die wir uns alle das ganze Jahr über gefreut haben", wurden allerdings damals schon gekauft, gesteht Ulrike Neradt; und verrät dann auch gleich noch das Rezept für die als festliche Vorspeise mittlerweile etwas aus der Mode gekommenen Königinpasteten. Weil sich die in Martinsthal lebende Sängerin und Kabarettistin mit dem schleichenden Leibgerichte-Verlust nicht einfach so abfinden wollte, hat sie gemeinsam mit der Mainzerin Hildegard Bachmann "unsere Lieblingsrezepte" aufgeschrieben und damit das im Ingelheimer Leinpfad-Verlag erschienene Kochbuch mit dem Titel "Die Sehnsuchts-Küche" ermöglicht.
In dem Grundlagenwerk - angefüllt mit 48 Rezepten sowie ebenso vielen dazugehörenden Kurzgeschichten - stecken jede Menge Erinnerungen: vor allem an die Kindheit, aber auch an Reisen oder manch prägende Begegnung der beiden Frauen, die neben der Begeisterung fürs Kochen auch die Liebe zur Mundart teilen. Bodenständig und heimatverbunden zeigen sich die Fastnachtsgröße Bachmann und die frühere Deutsche Weinkönigin Neradt, die mit Johann Lafer von 1994 bis 2007 die SWR-Sendung "Der fröhliche Weinberg" moderiert hat, nicht nur in der guten alten Küchenschürze. Auch in der Rezeptauswahl ist dies das Leitmotiv: angefangen bei der Frankfurter Grünen Sauce mit Pellkartoffeln über den Mainz-Klassiker Handkäs' mit Musik, dem Bachmann noch dazu eine gereimte Liebeserklärung widmet, bis zu Mutter Rosemaries Sauerbraten, den es bei Neradts früher nur an Feiertagen gab und der eine Woche lang im Keller in einem Steintopf im Gemüsesud liegen musste, ehe er auf den Tisch kam.
Wer den beiden in der Region fest verankerten Autorinnen jetzt aber ausnahmslos Hausmannskost zutraut, muss sich eines Besseren belehren lassen. Denn nicht nur mit Marmelade gefüllte Kreppel, sondern eben auch Lachs-Crostini, Makkaroni-Auflauf mit Lauch sowie Jakobsmuscheln mit Gemüse-Couscous und Currysoße stehen in der "Sehnsuchts-Küche" auf dem Speiseplan. Selbstverständlich fehlt Fritzens frische Fischsuppe nicht, jenes Gericht ihres späteren Ehemanns, bei dem Ulrike Neradt vor fast 30 Jahren schwach geworden ist.
MARKUS SCHUG
Hildegard Bachmann und Ulrike Neradt: Die Sehnsuchts-Küche. Unsere Lieblingsrezepte. Herausgegeben von Angelika Schulz-Parthu. 124 Seiten mit 37 Farbfotos. Leinpfad Verlag Ingelheim, 2009. 14,90 Euro. ISBN 978-3-937782-91-1.
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